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Brotkultur in der Gastronomie

Andreas Djordjevic: «Brot ist die erste Visitenkarte eines Restaurants.»

Andreas Djordjevic hat im wahrsten Sinne des Wortes einen ausgezeichneten Brotberuf. Seine Chefs im Wiener Restaurant Steirereck nennen ihn respektvoll «Brot-Sommelier», die Stammgäste fragen immer nach dem «Brot-Andi». Und der renommierte Gault Millau hat ihn auch schon mit dem Servicepreis ausgezeichnet.

Marlies Keck

Im Rahmen der Fachtagung «Hochgenuss’17» von GastroSuisse haben wir den besten Aufschneider Österreichs zum Thema Brotkultur und Brot in der Gastronomie befragt.

Herr Djordjevic, Sie servieren im Steirereck bis zu 28 Sorten Brot. Warum diese Vielfalt?
Brot ist die erste Visitenkarte eines Restaurants. Bereits hier können wir den Gast von der Qualität unserer Produkte überzeugen und ihm unsere Philosophie sowie Brotkultur mitgeben.

Zu jedem Laib haben Sie etwas zu erzählen, von jedem wissen Sie, wie er gemacht wird. Wie kommt das?
Ich wähle die Brote sorgfältig aus. Das heisst, ich verkoste die Brote nicht nur, sondern besuche die Bäcker und schaue ihnen bei der Arbeit zu. So überzeuge ich mich einerseits von der Qualität, andererseits lerne ich so auch die Betriebe und die dahinterstehenden Menschen kennen. Im Gespräch mit den Gästen sind das Wissen und die Geschichten zu den einzelnen Broten wichtig.


Andreas Djordjevic hat bei allen seinen Brotlieferanten hospitiert, besucht sie regelmässig und pflegt engen Kontakt zu den Bäckern. © Philipp Horak und Marlies Keck

Sie backen die Brote im Steirereck also nicht selbst. Woher beziehen Sie sie?
Es ist sowohl logistisch als auch vom Zeitaufwand nicht möglich, alle Sorten selbst zu backen. Es sind aber mittlerweile vier Brote, die wir im Haus backen, darunter das beliebte Blunzenbrot. Die anderen rund 24 Brote werden bei vielen kleinen Traditionsbetrieben zugekauft. Uns sind eben nicht nur Qualität wichtig, sondern auch Handwerk und Tradition.

Bei der Vielzahl an Broten sind Sie sicher viel unterwegs, oder?
Das täuscht, ich besuche die Bäckereien nämlich jeweils im Urlaub. Dafür reserviere ich immer mindestens ein bis zwei Tage. Am Anfang war meine Familie nicht wirklich begeistert davon. Da aber auch meine Frau im Steirereck arbeitet, kennt sie die Hintergründe und weiss, worum es bei diesen Besuchen geht. Mittlerweile sind sie wie auch meine Kinder sehr gerne mit dabei. Ansonsten bin ich im Steirereck für den Service von Brot, Tee und Kaffee zuständig und mit dem Brotwagerl mindestens drei Mal beim Gast am Tisch.

Schätzen die Gäste die enorme Vielfalt?
Absolut. Es waren ja auch die Stammgäste, die den Brotwagen explizit zurückwünschten, als man ihn nach der Neueröffnung 2005 abschaffte. Seither werden im Restaurant wieder täglich bis zu 20 Kilogramm Brot verzehrt. Natürlich fühlen sich manche Gäste bei der Auswahl auch überfordert. Aber dann bin ich ja da, um die Geschmacksrichtung zu finden, die zu ihrer Vorliebe und zum Gericht passt.

Gibt es eine klare Richtlinie, welches Brot zu welchem Gericht passt?
Prinzipiell ist erlaubt, was schmeckt. Aber man kann sagen, je kräftiger das Gericht, umso kräftiger das Brot. Nehmen wir einen würzigen französischen Käse und dazu das klassische Baguette als Beispiel. Um den kräftigen Geschmack des Käses auszugleichen, bräuchte es fast ein Kilo Baguette. Nimmt man stattdessen aber einfach ein Stück Schwarzbrot, geht das wunderbar zusammen. Beim leichten Fisch würde ich hingegen eher hell bleiben. Ausser beim Stör, der bei uns im Steirereck mit einer würzigen Barbecue-Sauce glaciert ist. Da passt wiederum ein mildes Sauerteigbrot sehr gut dazu. Ich lasse die Brote auch immer von den Köchen probieren, da sie einen noch feineren Gaumen und Geschmacksinn haben und die Gerichte mit dem Brot in der Gesamtheit beurteilen können.

Wäre nicht auch eine Brotkarte dienlich, ähnlich wie man das beim Wein kennt?
Das wäre für den besseren Überblick zwar denkbar, wir legen aber grossen Wert auf das Gespräch mit dem Gast. Nur so kann ich direkt auf die Wünsche des Gastes eingehen und ihm die passende Brotempfehlung geben. Zudem ändern wir die Brotsorten ja auch laufend. Falls ein Gast nach der Adresse eines Bäckers fragt – und das kommt regelmässig vor – haben wir Flyer oder Visitenkarten, die wir mitgeben können.

Haben Sie ein Ritual beim Brotaufschneiden?
Ja, ich schneide nie ein Brot ohne drei Kreuze an. Zwar ein Ritual, das die Dreifaltigkeit des Christentums symbolisiert, für mich persönlich aber eine Art Ehrerbietung meiner Grossmutter, die das immer so gemacht hat.


Brotliebhaber ja, Bäcker nein – Andreas Djordjevic überlässt das Handwerk den Profis. Der runde Laib (rechts) ist ein doppelt gebackenes Sauerteigbrot aus Weizen mit Roggenvollkornsauerteig. © Philipp Horak

Was passiert mit dem Brot, das Sie nicht verbrauchen?
Gutes Brot hält mindestens zwei Tage, Sauerteigbrot sogar bis zu einer Woche – es wird mit dem Alter sogar besser. Sollte es trotzdem vorkommen, dass wir ein Brot nicht mehr anbieten können, bekommen es unsere Schweinderln im Steirereck am Pogusch.

Was raten Sie Gastronomen, die sich vor einer solch grossen Brotauswahl scheuen?
Es müssen ja nicht gleich so viele Brotsorten sein wie bei uns. Aber ich würde empfehlen, zumindest ein Helles, ein Dunkles und ein Typisches aus der Region anzubieten. Und wer sich von der Masse abheben will, dem empfehle ich, beim lokalen Bäcker nachzufragen, ob er speziell für ihn ein Brot kreiert. Ausserdem rate ich von zu grossen Brotkörben ab. Lieber immer mal etwas nachreichen oder frisch aufschneiden. Und zwar von Hand, nicht von der Maschine. Ich persönlich finde das Aufschneiden direkt vor dem Gast am Schönsten. Nicht nur wegen der Frische, sondern eben auch, da ich dann den Gästen die Geschichten dahinter näherbringen kann. Jedes Brot hat seine eigene Geschichte und jeder Bäcker legt quasi seine Seele hinein.

Im Gegensatz zum industriell abgepackten Aufbackbrötchen.
Genau. Viele Gastronomen denken, ein Aufbackbrötchen kommt sie billiger. Dabei ist es genau umgekehrt. Man muss nur richtig kalkulieren.

Wären Sie nicht auch gerne Bäcker?
Brotliebhaber ja, Bäcker nein. Das überlasse ich lieber den Profis, die haben das Können. Zudem gehört das zeitige Aufstehen nicht zu meinen Stärken (lacht). Aber alles, was ich über Brot weiss, habe ich von Bäckern gelernt. Sie haben mir das Handwerk erklärt, die Unterschiede bei der Teigführung gezeigt sowie den Geruchs- und Geschmacksinn geschärft. Ich habe auch überall meine Nase reingesteckt – in jeden Sauerteigansatz, in jeden fertigen Laib.

Woran erkennt ein Laie im Restaurant gutes Brot?
Am Kauen. Nicht einfach abbeissen und runterschlingen, sondern kauen. Dann entfaltet sich im Gaumen das vollmundige, schmackhafte Aroma des guten Brotes.