Für Jens Jung gibt es kein Zurück
Nachhaltigkeit ist für Jens Jung kein Trend, sondern Überzeugung. Von der handwerklichen Herstellung bei John Baker bis zur Transformation der Bäckerei Jung steht bei ihm eines im Zentrum: die Verbindung von Qualität, Regionalität und sozialer Verantwortung.
Wenn man Jens Jung zuhört, spürt man sofort: Hier spricht jemand, der Brot nicht nur backt, sondern lebt. Es geht ihm um weit mehr als um das Produkt. Brot ist für ihn ein Statement. Ein Zeichen für Qualität, für natürliche Zutaten und für ein Wirtschaften, das nicht nur kurzfristig funktioniert, sondern auch morgen noch Sinn ergibt. Nachhaltigkeit zieht sich durch sein ganzes Schaffen – nicht nur in ökologischer, sondern auch in ökonomischer und sozialer Hinsicht.

Nachhaltigkeit, die man schmeckt
2013 hat Jens Jung mit drei Freunden John Baker gegründet. Die Idee: Eine Bäckerei, die sich kompromisslos der Nachhaltigkeit verpflichtet. Kein Plastik, keine Zusatzstoffe, kein industrieller Schnickschnack. Stattdessen: Langlebige Sauerteige, handwerkliche Herstellung und Rohstoffe von Produzenten, die dieselben Werte teilen. «Es gibt kein Zurück mehr», sagt Jung. «Wenn man einmal verstanden hat, was gute Landwirtschaft bedeutet und welche Verantwortung wir als Verarbeiter haben, dann gibt es nur diesen Weg.»
Deshalb bezieht John Baker sein Getreide u.a. von Höfen wie dem Gut Rheinau , einem Demeter -Betrieb, der für konsequente Bio-Landwirtschaft steht. Doch hochwertige Rohstoffe allein machen noch kein gutes Brot – es braucht auch Handwerk, Zeit und Hingabe. «Unsere Brote haben eine lange Teigführung. Das bedeutet nicht nur mehr Geschmack, sondern auch eine bessere Bekömmlichkeit. Wir geben dem Teig die Zeit, die er braucht – nicht die Zeit, die eine industrielle Produktion vorschreibt.» In Zürich revolutioniert John Baker damit die ganze Bäckerei-Szene und das frische, hochwertige Brot wurde zum Lifestyle-Statement.

Bäckerei Jung: Ein Familienerbe, nachhaltig weitergedacht
Mit dem Erfolg von John Baker erarbeitete sich Jens Jung auch den Respekt seines Vaters Bernd, der ab 1976 die Jung-Bäckereien aufbaute. Lange war Jens in leitender Funktion im väterlichen Betrieb tätig – mit der Idee, den Betrieb dereinst zu übernehmen. Doch bei der Frage nach dem Zeitpunkt kam es zum Streit. Also machte Jens Jung mit John Baker sein eigenes Ding. Und das so gut, dass sich Vater und Sohn letztlich dann doch einig wurden und Jens die Traditionsbäckerei seines Vaters im Sommer 2017 übernahm.
Aber einfach weiterführen, wie es war? Das kam für ihn nicht in Frage. Jung seit 1976 wurde Schritt für Schritt transformiert. Plastikverpackungen wurden abgeschafft und das Sortiment saisonaler und regionaler gestaltet. Es entstand Jung seit 1976 – inspiriert von John Baker, was so nun auch auf den Schaufenstern steht.

Warum nicht alles auf John Baker umstellen? «Das hat mehrere Gründe», so Jung. «Zunächst setzt John Baker auf handwerkliche Produktion vor Ort, während die Bäckerei Jung seit 1976 als Filialgeschäft mit zentraler Produktion operiert.» Eine Umstellung wäre mit der bestehenden Infrastruktur nicht möglich gewesen. Und dann das Einkaufserlebnis: Steht man in einem John Baker, hat man das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein – fast so, als hätte man selbst eine Schürze an. In einer Jung-Filiale befindet man sich dann doch eher in einem Verkaufsladen. «Letztlich bleibt aber so auch der Name Jung und meine Familiengeschichte bestehen – auch wenn wir Vieles umgebaut und die Prinzipien von John Baker eingebracht haben.»
Fusion mit Kleiner: Ökonomisch nachhaltig wachsen
Nachhaltigkeit bedeutet für Jens Jung auch wirtschaftliche Stabilität. Das betraf vor allem die Bäckerei Jung, die mit ihrem Filialgeschäft eine kritische Grösse hatte. «Beim Liefergeschäft braucht man einen ganzen Apparat – für Bestellungen, Auslieferungen, für Logistik, Kisten und so weiter. Das ist alles sehr aufwändig und rechnet sich erst ab einem bestimmten Umsatz.» Das Problem: Die Produktionskapazitäten im Keller am Klusplatz erlaubten kein Wachstum mehr.
Also kam die Idee eines Joint Venture mit den ZFV-Unternehmungen auf, zu denen die Bäckerei Kleiner gehörte. «Dieser hatte zu wenig Ladenumsatz, dafür eine grosse, beim Bahnhof Altstetten gut angebundene Backstube, wo nun seit 2024 für alle Standorte im Jung-Look mit John-Baker-DNA gebacken wird.» Die Bäckerei Jung brachte neben ihren Rezepten und dem Markenauftritt ihre drei Standorte Enge, Schanzengraben und Limmatplatz in die Firmenhochzeit ein. Der ZFV hat die Produktion mit in die neue Firma eingebracht und fünf der Kleiner-Filialen. Dazu kommt, dass rund 85 ZFV-Standorte seither mit den Broten nach John-Baker-Rezept beliefert werden. Die Fusion war ein wichtiger Meilenstein, um die Bäckerei Jung nachhaltig zu sichern. «Wir sind nicht aus einer Komfortzone heraus fusioniert, sondern aus der Notwendigkeit heraus», so Jung. «Es ging darum, den Betrieb zu erhalten – und damit auch die Arbeitsplätze.»

Soziale Nachhaltigkeit: Mehr als nur faire Löhne
Jens Jung sagt, als Anbieter von Lebensmitteln trage er Verantwortung. Und zwar auf mehreren Ebenen. Oberste Priorität habe, dass sein Schaffen gut oder zumindest nicht schädlich für den Planeten ist. Zweitens sollen die Produkte für die Menschen «gesund und ein Plausch zu essen» sein. Und drittens soll es jenen Menschen gut gehen, die für diese Produkte arbeiten. Mit 4300 Franken sei der Mindestlohn im Unternehmen gut 500 Franken höher als in der Branche üblich. Faire Löhne sind aber nicht alles – auch ein gemeinsames Werteverständnis sowie ein gesundes und positives Arbeitsklima gehören dazu.
«Mit der Übernahme und dann auch mit der Fusion war unser ,People & Culture‘-Team stark gefordert. Ich glaube, dass wir einmal 28 offene Stellen zu besetzen hatten. Unser Recruiting war damals nicht gut auf das Wachstum eingestellt. Heute ist das anders. Wir können auf ein gut eingespieltes, ambitioniertes Team bauen, das mit viel Drive agiert.» Ziel sei immer, das Team soweit zu bringen, dass es ihn eigentlich gar nicht mehr brauche. «Meist übernehmen ja dann auch Leute, die ihre Arbeit perfektionieren und sie dann auch besser machen als ich. Ganz einfach auch deshalb, weil sie sich darauf konzentrieren können, während ich bereits zum nächsten Projekt eile.»

Am und im Unternehmen arbeiten
Und welches Projekt steht aktuell an? «Tatsächlich war ich in den letzten Jahren fast nur noch Bürotiger – mit den Umbauten, Neueröffnungen, der Übernahme und der Fusion – das alles braucht seine Zeit, zumal ich 2016, 2019 und 2021 auch noch drei Mal Vater geworden bin.» Die Arbeit in der Backstube und das Entwickeln neuer Rezepte und Produkte kam daher leider etwas zu kurz. Das ändert sich jetzt wieder. «Ich habe nun jeden Monat mindestens drei Tage, an denen ich nicht nur „am“ Unternehmen arbeite, sondern auch „im“ Unternehmen. Unser Entwicklungsteam wird dann an diesen Dingen weiterarbeiten. So habe ich endlich wieder einen optimalen Mix zwischen Büro und Backstube.»
Also keine weiteren Expansionspläne? «Nein, auch wenn es immer mal wieder interessante Gespräche und Ideen gibt. «Mit der Fusion hat sich die Bäckerei Jung fast verdoppelt. John Baker ist heute mit vier Standorten in Zürich vertreten, ergänzt durch die Casa Caminada in Fürstenau (GR), die seit 2020 zu uns gehört.» Die Zusammenarbeit mit Spitzenkoch Andreas Caminada entstand aus dem gemeinsamen Verständnis für Qualität und Handwerk. «Wir halfen ihm beim Aufbau seiner Hotelbäckerei – und heute betreiben wir sie selbst und bieten mit unserer Academy auch Schulungen und eine Masterclass an.»

Dran bleiben – nachhaltig
Für Jens Jung geht es also nun darum, das Beste aus dem zu machen, was da ist. «Wir müssen jetzt vor allem einfach unsere Arbeit machen und vom Startup-Modus wegkommen. Unsere Priorität liegt daher vor allem darin, Schulden abzubauen.» Und was wäre sein grösster Wunsch? «Dass Nachhaltigkeit nicht mehr diskutiert werden muss. Dass es einfach Standard ist. Dass wir nicht mehr sagen müssen: ,Wir machen Bio‘, weil es selbstverständlich ist.»
Bis dahin bleibt er dran – nachhaltig. Mit Mehl an den Händen, Ideen im Kopf und einer Vision im Herzen.