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Getreideland Schaffhausen

Die Qual der Wahl: Sortenvielfalt im Getreideanbau

Schaffhausen gehört zu den bedeutendsten Getreideanbaugebieten der Schweiz. Bei der Wahl der Weizensorte stützen sich die Landwirte unter anderem auf die Einschätzung des Landwirtschaftsamts, welches mit jährlichen Versuchen zur Entscheidungsfindung beiträgt.

Marlies Keck

Schaffhausen ist von herrlichen Magerwiesen, grossen Wäldern, sorgfältig gepflegten Rebbergen und dem Rhein mit seiner einzigartigen Flusslandschaft geprägt. Die Schaffhauser Landwirte bewirtschaften aber auch insgesamt 16‘130 Hektaren Landwirtschaftliche Nutzfläche. Fast 2/3 davon sind offene Ackerfläche, was im schweizerischen Vergleich den höchsten Anteil bedeutet. Winterweizen, wovon es weltweit über 1‘000 Sorten gibt, ist dabei mit über 3‘100 Hektaren die wichtigste Ackerkultur. Die Wahl der Kultur hängt von den Boden- und Klimaverhältnissen, aber auch von den Absatzmöglichkeiten ab. Der regelmässige Fruchtwechsel dient nicht nur zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, sondern auch um die Entwicklung von schädlichen Organismen zu bremsen. Mit einer ausgewogenen Fruchtfolge lässt sich durch die Vielfalt der eingesetzten Arten, durch die unterschiedliche Bewirtschaftung und durch die verschiedenen Saatzeitpunkte auch das Unkraut eindämmen und die Nutzung der Wasser- und Nährstoffressourcen optimieren. Dazu wird das Einkommensisiko verteilt, da in einem Jahr selten alle Kulturen ausfallen. Doch welche Sorte ist für welche Jahreszeit, Gegend und Boden geeignet?


Schaffhausen weist im schweizerischen Vergleich den höchsten Anteil offener Ackerflächen aus und ist damit ein bedeutendes Anbaugebiet für Getreide. © Naturpark Schaffhausen

Sortenversuche in Dörflingen

Der jährliche Versuch in der eigenen Region mit zwei Dutzend Weizensorten (siehe Box) ist für die Landwirte im Kanton Schaffhausen wichtig, wie Lena Heinzer, Leiterin des Fachbereichs Pflanzenbau, Pflanzen- und Ressourcenschutz beim Schaffhauser Landwirtschaftsamt, betont: «Für die Landwirte gehört der Ertrag zu einem der wichtigsten Kriterien bei der Sortenwahl. Entsprechend untersuchen wir gemeinsam mit Swiss Granum, wie sich verschiedene Weizensorten ertragsmässig und qualitativ unter den beiden häufigsten Produktionsstandards Extenso und ÖLN verhalten. Damit erhalten die Landwirte eine wichtige Entscheidungsgrundlage für ihre kommende Aussaat.»

Saat, Februar, Juni, Mähdrescher
Swiss granum testet an zehn Standorten in der ganzen Schweiz 24 Sorten in einem ÖLN- und 12 davon in einem Extenso-Verfahren in Kleinparzellen mit drei Wiederholungen. Einer davon ist Dörflingen. © Landwirtschaftsamt Schaffhausen

Bessere Backqualität: Sortenwahl und Anbautechnik

Von den Versuchen profitieren aber nicht nur die Landwirte. Denn an vielen Verkaufsstellen können heute während des ganzen Tages frisch gebackene Brot und Backwaren gekauft werden. Und diese Form des Backens aus lang gelagerten Teiglingen stellt zusätzliche Anforderungen an die Qualität des Weizens respektive des Mehls. Ein wichtiges Kriterium ist dabei der Gehalt an sogenanntem Feuchtgluten. Lena Heinzer erklärt: «Ist der Gehalt an Feuchtgluten zu tief, gehen die Gebäcke nicht mehr genügend auf und erreichen so das gewünschte Volumen nicht. Entsprechend sorgen bereits die Züchter vor und wählen gezielt Weizensorten mit von Natur aus hohem Feuchtglutengehalt. Ein hoher Feuchtglutengehalt geht aber fast immer auf Kosten des Ertrags.» Neben der Sortenwahl könne aber auch die Anbautechnik zu einer besseren Backqualität beitragen. Aus Versuchen im In- und Ausland sei bekannt, dass höhere Stickstoffmengen und/oder eine gezielte Spätdüngung einen gewissen Einfluss auf den Protein- und Feuchtglutgehalt sowie die Backqualität haben.

Gärvorgang
Die jährlichen Weizenversuche zeigen u.a. auch, welche Sorten ihre gute Backqualität beibehalten. © Richemont Fachschule

Emmer-Einkorn: Nährstoffreich und aromatisch

Auch wenn unser tägliches Brot zum allergrössten Teil aus Weichweizen besteht-– auch Nischenprodukte finden ihre Liebhaber. Vor rund 7600 Jahren v. Chr. kam das Einkorn aus Asien nach Europa. Hier wurde es zum Hauptgetreide, verlor aber in der Römerzeit an Bedeutung. Seit rund 25 Jahren erlebt die nährstoffreiche Weizenart in Schaffhausen eine Art Renaissance. «Einkorn ist mit dem Brotweizen verwandt, wurde aber züchterisch nie so stark wie dieser bearbeitet. Heute bauen ihn rund 20 Schaffhauser Bauern an, vornehmlich im Klettgau» weiss Lena Heinzer. Wie Emmer und Dinkel hat das Einkorn im Vergleich zum Weizen einen höheren Gehalt an Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen wie Zink, Eisen, Magnesium und Kalzium. Das kompakte Brot ist damit besonders aromatisch und hält lange frisch. Entsprechend erfreuen sich das Einkorn-Vollkornbrot oder auch das Einkorn-Früchtebrot grosser Beliebtheit. Verschiedene innovative Verarbeiter stellen aus Emmer und Einkorn hochwertige und geschmackvolle Produkte wie Mehle, Brote, Gebäcke, Teigwaren, Biere und einen Schnaps her.

Schaffhauser Spezialität aus Einkorn
Schaffhauser Spezialität aus Einkorn: Charakteristisch ist sein leicht süsses und nussiges Aroma. © Landwirtschaftsamt Schaffhausen & Richemont Fachschule

Externes Bild
Zu den Weizenversuchen von swiss granum

In Zusammenarbeit mit Agroscope, der Groupe Cultures Romandie, dem Forum Ackerbau und DSP (Delley Semences et Plantes SA) testet swiss granum 24 Winterweizensorten im ÖLN-Verfahren (ökologischer Leistungsnachweis) und 12 Winterweizensorten im Extenso-Verfahren. Das Versuchsnetz umfasst 10 Standorte in der ganzen Schweiz (darunter auch Dörflingen, Schaffhausen), wo die Versuche auf kleinen Parzellen mit 3 Wiederholungen durchgeführt werden. Dieses Versuchsnetz ermöglicht es, eine statistische Auswertung der Ergebnisse vorzunehmen. Dadurch können die Kenntnisse über das agronomische und qualitative Verhalten jeder Sorte im ÖLN- und Extenso-Verfahren vertieft werden. Zusätzlich zu den offiziellen Versuchen im Extenso-Verfahren von Agroscope stellen diese Versuche eine wertvolle Grundlage dar, um die Sorten für die Liste der empfohlenen Sorten (LES) auszuwählen.