Das Weizenjahr - Teil 5
Im Sommer ist das Wintergetreide erntebereit. Wie das 2024 aussieht und was die Mähdrescher aus den Feldern für den Hof Entenschiess herausholen – im Beitrag zum Weizenjahr – Teil 5: Die Ernte.
Unsere Beitragsserie zum Weizenjahr:
Teil 1 — Zu Besuch bei Familie Grunder
Teil 2 — Aussaat von Winterweizen
Teil 3 — Kälteschock
Teil 4 — Hege & Pflege
Teil 5 — Die Ernte
Teil 6 — Vermahlen
«Heute passt es», sagt Bruno Grunder. Es ist Donnerstag, 18. Juli 2024 – die Weizenernte steht an. Er blickt über das Feld, die Sonne glänzt, die goldgelben Ähren tanzen im Wind. Die Erleichterung schwingt mit. Denn: «Sobald der Weizen reif ist, behält er seine Qualität nur eine begrenzte Zeit», erklärt er. «Jeder Tag zählt und jeder Regenschauer fördert den Auswuchs.» Tatsächlich haben der nasse Frühling und Sommer ihre Spuren hinterlassen. Je nach Standort, Aussaat-Zeitpunkt und Sorte haben sich Fusarien, also Pilze, und damit auch Giftstoffe wie Mykotoxine am Weizen breitgemacht. «Wir haben wohl noch Glück», meint Tochter Sabrina, zurück von der Qualitätskontrolle bei der Sammelstelle. «Unsere Probe ist besser als befürchtet – und besser als andere», sagt sie. Das heisst? «Die Qualität reicht aus, um den Weizen für die menschliche Ernährung zu nutzen.» Bei anderen Landwirten sei die Qualitätseinbusse so gross, dass es nicht einmal mehr für Futtermittel reiche. Was dann? «Dann geht die Ernte in die Biogasanlage, wofür man kein Geld mehr bekommt. Im Gegenteil – der Bauer zahlt drauf.»
Es «knackt», der Mähdrescher kann kommen
Es ist ein idyllisches Bild: Bruno und Sabrina mitten im Weizenfeld. Sie zerreiben je eine Ähre zwischen ihren Händen und knabbern am Korn. «Kein Vergleich zu den letzten Tagen» beschreibt Maja Grunder die Szenerie. «Am Montag war die Stimmung noch auf dem Nullpunkt.» Kein Wunder, es stand ja auch der Rohstoff für ihre Mühle auf dem Spiel. «Das Wetter macht, was es will – genauso wie die Natur» sagt sie. «Meist ist das schön, aber manchmal auch schmerzhaft.»
Es braucht die richtige Einstellung, aber auch Geduld und Flexibilität. Denn es muss mindestens zwei Tage trocken sein, bevor man «dreschen» kann. 14,5 Prozent Feuchtigkeit im Korn sind zur Lagerung ideal. Ist der Gehalt höher, muss sofort belüftet, getrocknet oder konserviert werden, um Schimmel und Verderb vorzubeugen. «Kosten, die uns die Sammelstelle natürlich berechnen würde. Auf der anderen Seite will man auch nicht zu trocken anliefern und Gewicht verschenken», erklärt sie. Bruno nickt zufrieden und sagt: «Es knackt – der Mähdrescher kann kommen.» Ein Beisstest reicht aus? «Ja» sagt Bruno grinsend. «Meist liegen wir bis auf 1-2 Prozent richtig.»
Dreschen – damals und heute
Früher wurde das Getreide noch mit Sichel oder Sense gemäht. Aus den Halmen band man sogenannte Garben, stellte sie auf dem Feld zum Trocknen auf und lagerte sie in der Scheune. Danach wurde von Hand gedroschen. Beim Dreschen lösen sich die Körner aus dem Getreide heraus. Durch ein Sieb wird zuerst das Stroh abgetrennt, danach Spreu (Hülsen, Stängel, Samenhüllen usw.) und Körner sortiert. Heute erledigt der Mähdrescher alle Arbeiten auf einmal. Er mäht, drescht, sortiert grob das Getreide und legt das Stroh auf dem Feld ab. Ist die Maschine voll, entlädt sie das Getreide direkt im Anhänger und setzt danach ihre Bahnen fort.
Enges Zeitfenster bedeutet Stress für Lohnunternehmer
Kaum ein landwirtschaftlicher Betrieb hat einen eigenen Mähdrescher, denn so eine Maschine ist mit 15 Tonnen Gewicht nicht nur enorm gross und schwer, sondern auch teuer. Lohnunternehmen, welche Mähdrescher besitzen, bieten dies als Dienstleistung für andere Landwirte an. Dies kann zu Koordinationsproblemen führen, da das Zeitfenster für die Ernte häufig sehr eng ist und so alle zum gleichen Zeitpunkt den Mähdrescher wollen.
«Wir sind heute und morgen dran», sagt Bruno. «Vielleicht auch noch am Wochenende. Aber wir haben ja nur 7 Hektare und die Maschine sollte zügig vorankommen, da die Halme nicht am Boden liegen, sondern schön stehen.» Gutes Timing ist aber auch dann gefragt. Denn fährt der Mähdrescher zu langsam, verliert er wertvolle Zeit – gerade, wenn ein Gewitter droht und noch andere Felder anstehen. Fährt er hingegen zu schnell, landen zu viele Körner auf dem Boden und nicht im Anhänger.
Unser aktuell grösstes Weizenfeld misst ca. 1,7 Hektar und ein Anhänger misst rund 8 Tonnen. Der Mähdrescher schafft rund 1 Hektar pro Stunde und muss so – je nach Maschinengrösse und Ertrag – nur zwei bis dreimal entladen.» Eine Rechnung, die auch gleich einen guten Eindruck über die Ausbeute gibt. Maja Grunder weiss daher schon jetzt: «Die Weizenernte 2024 zeichnet sich durch magere Erträge und tiefe Qualität aus. Leider.»
Vom Feld in die Sammelstelle – und in die Mühle
Mit den beladenen Anhängern fahren Grunders direkt vom Feld in die umliegenden Sammelstellen. Dort wird das Korn gereinigt, belüftet, gekühlt und in Silos eingelagert, bis sie es für ihre Mehlproduktion «peu à peu» wieder abrufen. Wieviel es dieses Jahr wird? «Vermutlich rund ein Drittel weniger als letztes Jahr», sagt Bruno. «Wir rechnen mit rund 30 Tonnen – das gibt ca. 20 Tonnen Mehl.» Die magere Ausbeute hat für sie grössere Auswirkungen als für reine Landwirte, da sie den Rohstoff gleich in der eigenen Mühle verarbeiten.
Müllerin Sabrina erklärt: «Einerseits bin ich mit meiner Arbeit in der Mühle gefordert, um aus dieser Ernte doch noch qualitativ hochwertiges Mehl zu gewinnen. Andererseits müssen wir Getreide zukaufen, da unsere eigene Ernte nicht ausreicht, um die Mühle auszulasten.» Das sei in anderen Jahren zwar auch der Fall, aber nie in einem solch hohen Ausmass. Maja Grunder ist daher froh, dass sie mit den umliegenden Sammelstellen eine freundschaftliche Beziehung pflegen. «Wir konnten uns bereits Schweizer Brotgetreide sichern.» Ihr Glück sei auch, dass der Ertrag im Vorjahr so gut war. «…von dieser Reserve profitieren wir jetzt.»
Nächster Besuch: Die Vermahlung
Der geerntete Weizen wartet in den Silos der Sammelstellen auf die Verarbeitung in der Mühle. Hier ist Sabrina in ihrem Element. Teil 6 unserer Beitragsserie widmet sich also dem Vermahlen des Korns, der Herstellung von diversen Mehlsorten und wie Fallzahlen und Proteingehalt die Backeigenschaft beeinflussen.