Spektakulärer Rundgang durch den Betrieb.
Wir treffen um halb sechs Uhr in der Früh in den Produktionshallen von Sutter Begg in Münchenstein (BL) ein. Geschäftsführerin Katharina Barmettler-Sutter empfängt uns mit einem Kaffee.
Wir starten bei einem besonderen Rohstoff fürs tägliche Brot: dem Wasser. Dieses fliesst bei Sutter Begg vor der Verwendung über zahlreiche Mineralien und wird dadurch sogenannt «belebt». Backversuche mit dem belebten Wasser in Deutschland und im eigenen Betrieb habe allerdings einen frappierend positiven Einfluss von belebtem Wasser auf die Gärung und die Teigbeschaffenheit gezeigt. «Und diese Resultate waren uns die Installation der Anlage wert», erklärt Barmettler-Sutter.
Sutter Begg hat sich in einem Gebäudeteil auf dem Industriegelände Dreispitz in der Nähe des Rheins in zwei Stockwerken eingemietet. Wir sind froh, dass uns die Geschäftsführerin durch die Produktionshallen führt, denn andernfalls hätten wir uns schon längstens verlaufen. Sutter Begg hat in der Region in und um Basel 27 eigene Filialen aufgebaut, beschäftigt 300 Mitarbeitende. Davon arbeiten allein 100 Personen in der Produktion in Münchenstein. Dieser Betrieb übertrifft in Bezug auf seine Grösse unsere bisherigen nächtlichen Bäckerei-Erlebnisse bei Weitem.
Doch zurück zu unserem Rundgang. Dieser folgt dem Produktionsprozess fürs frische Sutter Begg-Brot. Aufs Wasser folgen die sieben Mehlsilos mit einem Fassungsvermögen von je 7,5 Tonnen Mehl. Dieses wird mehrmals pro Woche lose in grossen Lastwagen angeliefert. Es folgt das Rohstofflager. Hier finden sich auch Vorräte an abgesacktem Mehl. «Für den Notfall», erklärt Katharina Barmettler-Sutter. Glücklicherweise sei es in den letzten zwei Jahren zwar nur ein einziges Mal vorgekommen, dass aufgrund eines technischen Defekts die Abrufung des Mehl aus den grossen, computergesteuerten Mehlsilos fehlgeschlagen sei. In einem solchen Fall aber müsse der Zugriff auf die benötigten Mehlsorten anderweitig sichergestellt sein.
In einem Raum in der Nähe befinden sich sämtliche benötigten Kompressoren, die die gesamte Kühlung im Betrieb sicherstellen. Die Energieversorgung sei für einen grossen Betrieb ganz generell ein wichtiges Thema, erklärt Barmettler-Sutter. Man arbeite so energieschonend wie möglich. Unter anderem werde selbstverständlich jegliche Restwärme zum Heizen der Gebäude genutzt. In einem weiteren Raum befindet sich das Verpackungsmaterial, das jeweils einmal pro Woche von den Filialen bestellt wird. Wir kommen nun in die eigentliche Backstube und damit als Erstes zur Wägestation. Hier können die benötigten Mehlmengen elektronisch direkt aus den Mehlsilos abgerufen werden. Die Kleinkomponentenanlage gleich daneben ermöglicht den Bezug vieler anderer benötigter Rohstoffe wie Milchpulver, Salz oder Backmittel.
Auch bei Sutter Begg stehen verschiedene teigschonende Knetmaschinen zur Verfügung, doch danach wird der Produktionsprozess – gemessen an der Grösse des Unternehmens – unerwartet handwerklich: Die allermeisten Teige werden von Hand portioniert, aufgearbeitet, geformt und für den Backvorgang bereitgestellt. «Maschinen und Elektronik kommen bei uns nur dort zum Einsatz, wo es sich einerseits um körperlich sehr schwere oder besonders repetitive Arbeitsvorgänge handelt und wo andererseits die Automatisierung keinen Einfluss aufs Endprodukt hat», erklärt Barmettler-Sutter. Zahlreiche Mitarbeitende sind denn auch an den verschiedenen Arbeitsstationen am Werk.
Trotz höchster Konzentration und speditivem Ablauf wird gelacht und gescherzt. Die Leidenschaft fürs Produkt und fürs Handwerk ist überall im Betrieb spürbar, das Arbeitsklima ist gelöst und heiter. Geschäftsführerin Katharina Barmettler-Sutter begrüsst die meisten Mitarbeitenden mit Handschlag und kennt alle mit Namen. Nicht weniger als 25 Lehrstellen bietet das Unternehmen jungen Berufsanfängern an. Ihre Miene wird etwas ernst, als sie sagt: «Bei uns ist es keine abgedroschene Phrase, dass unsere Mitarbeitenden unser wichtigstes Gut sind.» Auf jeden einzelnen Mitarbeitenden müsse man sich absolut verlassen können. Jeder Arbeitsschritt sei genau so wichtig wie jeder andere, damit am Ende des Produktionsprozesses ein hervorragendes Produkt in der Ladentheke stehe. «Wir sind auf das Herzblut und die Professionalität eines jeden angewiesen», betont die Geschäftsführerin. Und diese Philosophie ist im Produktionsbetrieb absolut spürbar. Ob die Arbeitsprozesse stimmen, lasse sich an gewissen Leitprodukten ablesen, erklärt Barmettler-Sutter. Diese seien so heikel, dass ein geübtes Auge auf den ersten Blick erkenne, «ob bei uns alles rundläuft».
Wir sind unterdessen in der Spedition angelangt und was hier an logistischem Know-how zum Einsatz kommt, lässt den Besucher sprachlos zurück. Immerhin müssen Hunderte Brote, Kleingebäcke, Sandwiches, Salate, Patisserie- und Konditoreiartikel zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Filiale ankommen, jede Filiale wird drei- bis viermal pro Tag beliefert. Eine logistische Meisterleistung. Pausenlos werden die Lieferwagen mit Gebinden bestückt und fahren wieder los. Hier steigt die Konzentration der Mitarbeitenden zwangsläufig zum Äussersten. Bei der ersten Tour am Morgen bringen die Chauffeure überschüssiges Brot aus den Filialen auch wieder zurück zum Produktionsstandort. «Uns ist es wichtig, dass auch der letzte Kunde am Abend noch ein frisches Brot erhält. Wir möchten nicht, dass unsere Kunden vor leeren Regalen stehen.» Nichtsdestoweniger gelangt bei Sutter Begg kein Krümel Altbrot in den Abfall. Aus den weissen Brotsorten wird im eigenen Betrieb Paniermehl hergestellt, die anderen Brotsorten vom Vortag werden getrocknet und an einen Landwirt in der Region geliefert, der damit seine Kühe und Pferde füttert. Das Brot aus zwei Filialen wird direkt an die Organisation «Tischlein deck dich!» weitergegeben, die einwandfreie Lebensmittel an Bedürftige verteilt. Der Rest wird Bio-Diesel.
Auf die Frage, warum ein so grosser Betrieb nach wie vor auf Handarbeit setze, stutzt Katharina Barmettler-Sutter zuerst. Dann antwortet sie überzeugt: «Unser Unternehmen hat eine langjährige Tradition. Seit über hundert Jahren bieten wir unseren Kunden handgefertigte Produkte in höchster Qualität. Wir sind kein Unternehmen, das Industrieware herstellt. Jedes Schoggiweggli ist bei uns ein Unikat, – ein Erlebnis. Jedes hat ein eigenes Gesicht. Das macht unsere Positionierung aus, das macht uns einzigartig.» Aber damit sei es bei Weitem noch nicht getan. «Unsere Kunden erwarten von uns auch ein vielfältiges und innovatives Angebot. So entwickeln wir jährlich Neuheiten. Unsere Mitarbeitenden in den Filialen mit einzigartiger Ambiance sind freundlich und zuvorkommend, unsere Produkte absolut frisch, sie sind sorgfältig und liebevoll eingepackt, je nach Saison in einem passenden «Outfit» und auch dieses wechselt jedes Jahr. Standardprodukte – nein, die passen nicht zu uns», sagt Barmettler-Sutter. Ein Blick auf die frisch aus dem Ofen kommenden Schoggiweggli sagt denn auch mehr als tausend Worte. Die handwerkliche Produktion sieht man ihnen förmlich an. Sie sind ein einzigartiger Gaumen- und Augenschmaus.