Wissenswertes zum Schweizer Getreideanbau
Getreide ist die wohl wichtigste Kulturpflanze weltweit. Seine Verwendung ist vielfältig, sei es in der menschlichen Ernährung oder als Futtermittel. Was es zur Getreideproduktion in der Schweiz zu wissen gibt – 10 Fakten.
1. Weizen ist im Ursprung ein Zufallsprodukt
Die Urform des Weizens war eine Graspflanze, wie man sie auf einer Wiese finden kann. Wild kreuzten sich die Gräser – spontan und natürlich. So entstand Urgetreide, darunter auch die Sorten Emmer und Einkorn. Über frühe Handelswege fanden sie ihren Weg von Westpersien über Ägypten, Nordafrika und den Balkan nach Mitteleuropa. Ihre Zufallsentdeckung ermöglichte es den Jägern und Sammlern letztlich, sesshaft zu werden. Im Mittelalter, als in den Städten immer mehr Menschen ernährt werden mussten, fing man an, das Getreide auf Ertrag zu züchten. Emmer und Einkorn waren bald nur noch Vorfahren der heutigen «Brotweizen». Erst vor wenigen Jahren wurden sie wiederentdeckt und neu kultiviert, auch in der Schweiz.
2. Es gibt Tausende von Weizensorten
Weizen ist eine der am weitesten verbreiteten Getreidearten und wird in verschiedenen Regionen und Klimazonen angebaut, was zu einer grossen Sortenvielfalt führt. Es gibt Tausende von Weizensorten, die sich in ihren Eigenschaften wie Reifedauer, Grösse der Ähren, Nährstoffgehalt, Krankheitsresistenz und Verwendungszweck unterscheiden. Forscher und Züchter arbeiten ständig daran, neue Sorten zu entwickeln, die den unterschiedlichen Bedürfnissen und Anforderungen gerecht werden, sei es in Bezug auf den Ertrag, die Anpassungsfähigkeit an bestimmte Klimabedingungen oder die Backfähigkeiten. Aufgrund der ständigen Weiterentwicklung und der geografischen Verbreitung ist es schwierig, eine genaue Gesamtzahl der Weizensorten weltweit anzugeben. Dennoch lassen sich Schweizer Lieblingsorten ausmachen, zum Beispiel «Montalbano». Diese Weizensorte macht aktuell rund 1/4 der in der Schweiz verkauften Saatmenge an Brotweizen aus.
3. Die Züchtung einer neuen Weizensorte dauert 12-15 Jahre
In der Schweiz sind Agroscope, das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, und die Firma Delley Samen und Pflanzen AG für die Brotweizenzüchtung zuständig. Bis zu 15 Jahre dauert es, bis aus einer Ausgangskreuzung eine marktfähige Sorte entsteht, aus der Schweizer Brot hergestellt wird. Eine neue Sorte muss vielfältigen Ansprüchen genügen. Dabei stellen anbautechnische Aspekte ebenso eine wichtige Rolle wie verarbeitungstechnische Kriterien. Die Ausrichtung einer Züchtung zeigt dabei das Spannungsfeld zwischen Qualität, Ertrag und Krankheitsresistenz, da eine neue Sorte immer ein Kompromiss zwischen verschiedenen Zielen darstellt.
4. Die Getreideanbaufläche in der Schweiz ist rückläufig
Technische und züchterische Fortschritte gehören zu den wichtigsten Gründen, weshalb sich die Getreideanbaufläche historisch gesehen reduziert hat. Die Erntemenge pro Jahr nahm zu, weshalb weniger Land benötigt wurde, um die selbe Menge zu produzieren. Die Flächenabnahme setzte sich dann mit der Aufhebung der alten Getreideordnung fort, wobei die Anbaufläche für Brotgetreide relativ stabil geblieben ist. Rund 14 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche wird heute als Brot- und Futtergetreide genutzt. Das entspricht rund 140 000 Hektaren oder der Fläche des Kantons Aargau. Brotgetreide macht davon rund 57 Prozent aus.
5. Getreide wird für Mensch und Tier angebaut
Für die menschliche Ernährung werden vorwiegend Weizen, Dinkel und Roggen, sowie in kleinem Umfang Reis, Emmer / Einkorn und Hirse angebaut. Pro Einwohner beträgt diese inländische Getreideanbaufläche 2023 rund 0.9 Are. 1905 lag dieser Wert noch bei 2,6 Aren. Für Tierfutter werden Gerste, Körnermais, Triticale (Kreuzung zwischen Weizen und Roggen), Futterweizen, Hafer und Mischel von Futtergetreide angebaut. Ausserdem wird Getreide zur Saatgutproduktion und als Ackerschonstreifen angesät. Dabei handelt es sich um Randstreifen von Ackerkulturen, die extensiv – ohne Düngung – bewirtschaftet werden. Sie bieten Lebensraum für Pflanzen wie Mohn oder Kornblumen und dienen als Rückzugsort für Tiere.
6. Die Qualitätsansprüche an Schweizer Getreide sind sehr hoch
Garant für die hohe Qualität ist der Ökologische Leistungsnachweis (ÖLN), nach dessen Standard in der Schweiz rund 98 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bewirtschaftet werden. Weiter im Aufwind sind auch die noch anspruchsvolleren Produktionsstandards wie beispielsweise die extensive Getreideproduktion («Extenso» mit IP-Suisse-Label) und der biologische Anbau (Bio Suisse). Die Branchenorganisation swiss granum erstellt Listen mit zugelassenen Sorten, die ausgiebig geprüft wurden. Diese Listen sind für Landwirte massgebend, die nach den Kriterien des Ökologischen Leistungsnachweises oder im Extenso-Verfahren arbeiten. Für Bio-Produzenten gibt Bio Suisse eine Liste mit empfohlenen Sorten heraus.
7. 14,5 Prozent sind das Mass aller Dinge
Grundsätzlich ist es Aufgabe des Landwirtes, den Erntezeitpunkt festzulegen. Dank Erfahrung oder Messgeräte lässt sich dieser ziemlich genau bestimmen. Denn das Getreide sollte bei der Ernte 14,5 Prozent Feuchtigkeit aufweisen. Zu feuchtes Getreide muss nachgetrocknet werden. Liegt der Wert darunter, vergibt der Landwirt Gewicht und damit Geld. Um die Produktionskosten zu senken, nutzen die Bauern die nötigen Ackerbaugeräte oft mit anderen Produzenten zusammen oder lagern Arbeiten wie den Mähdrusch an spezialisierte Lohnunternehmer aus. Dies mit gutem Grund: Ein neuer Mähdrescher kostet schnell mal eine halbe Million Franken.
8. Die Sammelstelle gilt als Bindeglied zwischen Bauer und Müller
Nach der Ernte bringen die Landwirte ihr Getreide in eine so genannte Sammelstelle. Diese sorgen für die fachgerechte Reinigung und Lagerung des Korns, bevor es in den Mühlen weiterverarbeitet wird. Hierzulande gibt es rund 180 Getreidesammelstellen, die Schweizer Brotgetreide annehmen. Im Jahr 2023 waren es ganze 383 537 Tonnen. Dank ihrer dezentralen Lage sind kurze Transportwege die Regel, was ganz im Sinne der umweltbewussten Regionalität ist. Es gibt aber auch sehr grosse Sammelstellen, die bis zu 10 Prozent der gesamten Brotgetreidemenge annehmen. Optisch sind Sammelstellen leicht zu erkennen; man beachte die meterhohen Silotürme.
9. Die Schweiz ist heute zu einem grossen Teil selbstversorgt
Gemäss der Branchenorganisation swiss granum deckt die Schweiz in einem Normaljahr rund 85 Prozent des Bedarfs (480’000 t) an Brotgetreide (Brotweizen, Dinkel, Roggen, Emmer) selber. Das jährliche Zollkontingent für Importe liegt bei 70 000 Tonnen Brotgetreide, wobei diese Menge nicht ausgeschöpft werden muss. Private Unternehmen, die die entsprechenden Güter importieren, sind vom Bund verpflichtet, Pflichtlager zu halten. Im Bereich Nahrungs- und Futtermittel sind das rund 120 Unternehmen, darunter grosse Detailhändler wie Coop oder Migros, aber auch kleinere Händler oder Mühlen. Die Genossenschaft réservesuisse kümmert sich im Auftrag des Bundes um die Organisation der Pflichtlager für Getreide, Nahrungs- und Futtermittel. Aktuell beträgt die Lagermenge für Weichweizen 160’000 Tonnen, für Hartweizen 23’000 Tonnen und für Reis 16’400 Tonnen. Damit kann der Bedarf an diesen drei Nahrungsmittelgruppen für vier Monate gedeckt werden.
10. Halb- oder Fertigfabrikate können auch aus dem Ausland stammen
Nicht immer stammt das im Regal verkaufte frische Brot oder Gipfeli aus der Schweiz. Auch das Sandwich oder die Scheiben im Körbchen auf dem Restauranttisch könnte als Teigling, Halb- oder Fertigfabrikat in die Schweiz importiert worden sein. Denn die Importzahlen von ausländischen Back- und Konditoreiwaren sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Wer sich bisher für deren Herkunft interessierte, musste nachfragen. Ab dem 1. Februar 2024 gilt nun aber eine schriftliche Deklarationspflicht. Das bedeutet mehr Klarheit und Transparenz beim Einkauf – auch im Offenverkauf. Neu können Konsument:innen also sicher sein: Wo Schweizer Brot draufsteht, ist auch Schweizer Brot drin. Zudem erhalten sie die Gewissheit, ein qualitativ hochwertiges, nährstoffreiches und nachhaltig produziertes Schweizer Produkt zu kaufen. Und – last but not least – zeigen sie ihr Bekenntnis zur Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft, also zu Schweizer Produktions- und Verarbeitungsunternehmen und somit zu Schweizer Getreide, Mehl und Brot. Sie setzen damit wertvolle Zeichen für die Tradition und den Erhalt unseres feinen Schweizer Kulturguts.