Corina Steiger, Bäcker-Konditorin in Ausbildung
Eine Ausbildung ist kein Zuckerschlecken. Auch jene zur Bäcker-Konditorin nicht. Doch für Corina Steiger, Lernende im 2. Lehrjahr, geht mit dem Beruf ein Traum in Erfüllung. Wir haben sie bei der Arbeit in der Piraten-Bäckerei Sollberger besucht.
Morgens, 2.15 Uhr, in Gontenschwil im Kanton Aargau. Es rührt sich noch nichts – einzig die Geräusche der Nacht lassen aufhorchen. Das beschauliche Dorf im aargauischen Oberwynental schläft noch tief und fest. Nicht so die 18-jährige Corina Steiger, die uns frisch-fröhlich vor der Piraten-Bäckerei Sollberger begrüsst, wo sie derzeit ihre Ausbildung zur Bäcker-Konditorin absolviert. Arbeitsbeginn. Für Corina bedeutet dies erst einmal: Umziehen, Händewaschen, Hallo sagen. Trotz frühster Stunde ein Leichtes für die junge Lernende: «Ich freue mich jeden Morgen auf das Team», sagt sie voller Tatendrang und lacht. «Das hilft enorm beim Frühaufstehen.» Eigentlich wäre sie ja eine Langschläferin, aber «man gewöhnt sich an den Rhythmus.»
In der Backstube geht alles Hand in Hand – und in Akkord
Erste «Station»: Vanillecrème. Diese braucht Zeit – konkret Kühlzeit – bis sie später für allerlei Patisserie wie Törtli, Crèmeschnitten und Co. zum Einsatz kommen kann. Da dies heute aber bereits ihre Kollegin und Oberstiftin Linda erledigt, kümmert sie sich stattdessen um das Birchermüesli bzw. um das Einweichen der Haferflocken. Dann – es ist jetzt kurz nach 2.30 Uhr – geht es an die verschiedenen Teigsorten. Auch diese wurden – vom «Teigger» Kevin – schon vorbereitet; die meisten bereits am Vortag. Denn je nach Brotsorte ruht der Teig zwischen 4 und 24 Stunden in der Stockgare, bevor er für das sogenannte «Aufschaffen» mit Abwägen, Portionieren und Formen bereit ist. «Bei so vielen parallelen Arbeitsabläufen muss man den Kopf schon bei der Sache haben» weiss Corina. «Gerade beim Abwiegen der unterschiedlichen Mengen braucht es Konzentration. Radio? Das läuft bei uns erst später», grinst sie und studiert die Bestellliste, wo auch die jeweiligen Mengen notiert sind. «Vorbereitung ist das A und O. Aber mit Spass und Routine gehts viel schneller von der Hand.»
Variation ins Brotsortiment
Trotz aller Routine: Für Abwechslung ist gesorgt – im Sortiment, wie bei der Arbeit. Neben Vorbestellungen und saisonalen Spezialitäten sorgt vor allem der Brotplan für Vielfalt. «Natürlich sind die täglichen Abläufe ähnlich – trotzdem wird es nie langweilig. Klassiker wie unsere «Piratenbrote» oder auch das «St. Galler» stehen immer auf dem Plan. Aber das Maisbrot bieten wir beispielsweise nur dienstags und donnerstags an. Das Tscheggeee-Brot gibt es nur montags, mittwochs und freitags, und am Samstag kommen dann noch allerlei Zöpfe und Holzofenbrote hinzu.» Niemand in der kleinen Backstube hat bemerkt, dass bereits eine Stunde vergangen ist. Jeder Handgriff sitzt. Einer folgt auf den nächsten. Wie von Geisterhand füllen sich die Regale – nach und nach bereit für das «Einschiessen» in den Ofen. Pfünderli, Parisette, Brötli, Weggli, Mütschli: Es ist diese Vielfalt, die Corina schon als Kind fasziniert. «Zu lernen, wie aus den einfachsten Rohstoffen so viele, feine Endprodukte entstehen, reizt mich», sagt sie, während sie die präzis portionierten Teigteilchen aus der «Fortuna» nimmt – eine der wenigen Maschinen im Betrieb. Sie lächelt: «Hier lerne ich noch ganz viel Handwerk.» Mit ein Grund, weshalb sie sich nach ihren Schnupperlehren in diversen Bäckereien für einen eher kleinen Familienbetrieb als Ausbildungsstätte entschieden hatte.
Zwischenspurt bei den Sandwiches
Mittlerweile ist es also kurz nach 4 Uhr. Die Zeit drängt, denn die Lieferungen für Volg, TopShop-Tankstellen und Co. müssen spätestens um 4.45 Uhr draussen sein. Deshalb hilft Corina jetzt ihren Kollegen bei der Sandwich-Produktion. Und zwar «was das Zeug hält!». Unglaublich, mit welchem Tempo sie die Zutaten-Strasse abarbeiten, jedes Sandwich einzeln in Folie verschweissen und für die vorbereiteten Lieferungen konfektionieren. Jetzt läuft auch das Radio und gibt fast den Takt durch. Uff – geschafft…und jetzt Pause? «Noch nicht. Bis zur Ladenöffnung um 5.30 Uhr ist noch viel zu tun.» Es gilt, gemeinsam mit dem Team die letzten Brote zu teiggen, aufzuschaffen und zu backen, die gebackene Ware in die Verkaufsregale zu sortieren und die einzelnen Laden-Produkte fertigzustellen – also das Birchermüesli zu mischen, die Berliner zu füllen, die Nussstengel und Mandelgipfel anzustreichen und die diversen Mini-Patisserien zu veredeln. Trotz Zeitdruck und emsigem Arbeitseifer herrscht beste Stimmung.
Ausgezeichneter Nachwuchs und Ausbildner
Die Leidenschaft fürs Backen hat Corina von ihrer Familie. Mit Mutter Brigitte sorgte sie schon als Kind regelmässig für den Sonntagszopf und mit Tante Yvonne dekorierte sie erstmals eine Torte. So entdeckte sie auch ihre kreative Ader. Diese sei vor allem an Ostern und Weihnachten gefragt, aber auch im Sommer, wenn diverse Hochzeitsapéros und Caterings anstünden. «Es gibt so viele unterschiedliche Techniken – sei es mit Zucker, Marzipan oder Schokolade. Da ist ein guter Ausbildner mit enormem Fachwissen, Gold wert.» Ein subtiler Hinweis auf ihren Chef, Kevin Sollberger, der 2023 mit dem #yourethebest Award von Swiss Gastro Solutions und Gastro Suisse als besten Ausbildner in der Kategorie Bäckerin-Confiseurin ausgezeichnet wurde. «Sein Fachwissen war aber nicht der einzige Grund für uns, ihn zu nominieren» sagt Corina. «Er hat die Auszeichnung vor allem auch deshalb verdient, weil er immer mit Engagement und guter Laune dabei ist, echtes Interesse an uns und unserer Entwicklung zeigt, Verantwortung übergibt und dabei auch immer selbst voll mit anpackt», sagt sie. Die vielen Bestnoten und Erfolge seiner ehemaligen Lernenden unterstreichen die Aussage. Sowohl Ramona Bolliger, Weltmeisterin 2017 als auch Zora Roth, Gewinnerin des Brot-Chefs 2022 haben ihre Lehre bei Kevin Sollberger absolviert. Ob sie in diese grossen Fussstapfen treten kann? «Mal sehen», sagt sie bescheiden. «Den Ehrgeiz und Kampfgeist, den es für solche Wettbewerbe braucht, habe ich jedenfalls – allein schon durch mein Hobby, dem Team-Aerobic. Aber aktuell steht erstmal das dritte Lehrjahr an.»
Berufsstolz und gute Planung
Kurz vor 6 Uhr, der Laden ist bereits offen, Pause. Für Corina auch eine Gelegenheit, das Geschehen im Verkaufsraum zu beobachten und mitzuerleben, wie die eigens produzierten Brote und Backwaren an die Kundschaft gehen und «glücklich» machen. «Es gibt fast nichts Schöneres, als wenn ein Kunde mit einem Lächeln den Laden verlässt – voller Genuss-Vorfreude auf das eben gekaufte Brot, Gebäck oder Dessert – und das von mir.» Was sie davon am liebsten macht? «Ich kann nicht sagen, was ich lieber mag – die filigrane Arbeit in der Patisserie oder das Handwerk beim Brotbacken.» Sie überlegt: «Die Mischung machts.» Nur das Putzen müsste nicht sein. «Es gehört halt dazu – so wie das «Sandwichen» auch. Aber die Leidenschaft steckt ganz klar im Teiggen, Formen und Dekorieren.» Die Pause ist vorbei – weitergehts – je nach Wochentag mit einem leicht anderen Programm. «Montags – da bin ich in der Berufsschule – wird der Blätterteig hergestellt, woraus wir am Dienstag Mandelgipfel, Nussstangen und Schinkengipfel zaubern», erzählt sie. «Am Mittwoch steht vor allem die Produktion der Buttergipfeli-Teiglinge an, die zum Aufbacken am Folgetag eingefroren werden und am Donnerstag sind diverse Wähen dran. Am Freitag dann mein Highlight, das Zöpfeln.» Und heute? Sie lacht: «Am Samstag heisst es leider: Putzen!» Und während so langsam der Tag erwacht und um ca. 10 Uhr der verdiente Feierabend naht, die letzte Frage: Wann ist bei dir Schlafenszeit? «Das kommt darauf an. Während der Fasnacht oder nach einer Party mach ich die Nacht auch mal durch, geh direkt zur Arbeit und danach gleich ins Bett. Ansonsten entscheide ich das je nach Müdigkeit». Wir finden: ganz schön ausgeschlafen.
Die Piraten Bäckerei Sollberger in Gontenschwil (AG) beschäftigt rund 19 Mitarbeitende, darunter drei Lernende. Im Jahr 2012 übernahmen Kevin und Stefanie Sollberger den Betrieb in vierter Generation. Ihre Spezialität – die hauseigen produzierten Kirschstängeli – brachte sie zum Zusatznamen «Kirschstängeli-Beck», wobei sie auch unter ihrem Motto «Piraten-Beck» zur Erlebnisbäckerei werden. 2023 gewann Kevin Sollberger den #yourethebest Award von Swiss Gastro Solutions und Gastro Suisse als besten Ausbildner des Jahres.