Das Weizenjahr – Teil 4
In der Vegetationsphase geht es darum, den Weizen im Wachstum zu stärken, ihn vor Krankheiten zu schützen und Unkraut zu bekämpfen. Die Beitragsserie zum Weizenjahr bei Familie Grunder – Teil 4: Hege & Pflege.
Unsere Beitragsserie zum Weizenjahr:
Teil 1 — Zu Besuch bei Familie Grunder
Teil 2 — Aussaat von Winterweizen
Teil 3 — Kälteschock
Teil 4 — Hege & Pflege
Teil 5 — Die Ernte
Teil 6 — Vermahlen
Frühling auf dem Hof der Mühle Entenschiess. Spannung liegt in der Luft. Der erste Weidetag für die Kühe steht bevor – und intensive Wochen auf den Feldern. Für Bruno Grunder eine schöne Jahreszeit: «Die Natur legt wieder los und alles erwacht zu neuem Leben», sagt er bei unserem Besuch im März, sichtlich gut gelaunt. «Die Kühe rennen und hüpfen über die Weide, die Bäume und Sträucher blühen und auch der Weizen spriesst.» Ein gutes Zeichen. Offenbar haben seine drei Sorten Winterweizen – Nara, Piznair und Bonavau – die nass-kalten Wintermonate gut überstanden. Sicherlich auch dank der frühen Aussaat im Oktober. «Die Felder sehen grün und gesund aus» sagt er zufrieden. «Vor allem dort, wo ich Bonavau ausgebracht habe – ein richtig schönes, saftiges und gesundes Grün.» Einfach ‹Glück› oder steckt mehr dahinter? «Klar sind Wetter und Temperatur entscheidend» sagt Bruno. «Aber nicht nur. Pflanzenschutz beginnt nämlich bereits mit der Saatgutqualität und der Wahl von resistenten, robusten Sorten.»
Präventive Schutzmassnahmen
Krankheitsresistenz, Pflanzenlänge und Standfestigkeit – auf diese Kriterien achtet Bruno Grunder bei der Sortenwahl besonders – und natürlich auf den Proteingehalt, der auf die spätere Backfähigkeit des Brot-Getreides schliessen lässt. «Bei der Vielzahl an Merkmalen ist es immer ein Abwägen von Chancen und Risiken», sagt Bruno. «Das zeigt sich bei der Sorte Nara besonders.» Diese sei nämlich anfällig auf Fusarien. Ein Pilz, der den Weizen krank macht und schädigt. «Ich habe mich trotzdem für Nara entschieden, da sie in vielen anderen Punkten überzeugt.» Und wie schützt er seine Pflanzen nun vor einem Pilzbefall? «Ich schöpfe alles aus, was es an präventiven Massnahmen gibt. Angefangen bei der Fruchtfolge. Das heisst, ich habe die Sorte Nara bewusst dort ausgebracht, wo vorher Wiese war. Denn Mais gilt als Wirtpflanze für Fusarien und das Problem wäre vorprogrammiert.» Auch die Sorte Bonavau hat er nicht zufällig auf seinen Feldern am Waldrand gesät. Allerdings aus einem ganz anderen Grund. «Dort treiben oft Wildschweine ihr Unwesen!» so Bruno. «Sie fressen die Körner und drücken dabei die ganzen Halme zu Boden. Begrannte Sorten wie Bonavau meiden die Tiere aber, weil die Grannen, also die Härchen an der Ähre, in Maul und Schlund stechen.»
Wachstum stärken
Der Blick auf die Felder beweist: Der Kälteschock während der Wintermonate hat ganze Arbeit geleistet: Stillstand beim Grünanteil an der Oberfläche, dafür viel Energie und Kraft im Wurzelwerk. Damit sich der Winterweizen nun aber weiter so positiv entwickelt, muss er jetzt wachsen. «Dafür braucht es Wärme, Wasser und Nährstoffe» sagt Bruno. «Deshalb habe ich bereits Anfang März mit Düngen begonnen.» Mit Gülle? «Nein, dafür war es zu nass. Das hätte den Boden ruiniert. Ich habe mich für Kunstdünger, also Stickstoff und Schwefel entschieden.» Beides zusammen unterstützt die Pflanzen beim Aufbau von Eiweiss und Blattgrün. Im April ist dann die zweite Düngung Stickstoff fällig. Vorher geht es ans Walzen. Denn: «Das Frühjahr mit warmen Tagen und frostigen Nächten sorgt für Temperaturschwankungen, die den Boden bewegen und die Wurzeln reissen lassen. Das erschwert natürlich das Weiterwachsen und macht das Getreide empfindlich.» Das Walzen stellt den Kontakt der Bodenkrümel zum Boden wieder her und fördert dadurch die Wasserkapillarität und die Feuchtigkeit der Erde. «Neben Wurzelbildung und Wasserversorgung regt die Walze aber auch die Bestockung des Getreides an, was wiederum dessen Standfestigkeit verbessert», erklärt Bruno. Zu den präventiven Schutzmassnahmen gehören also auch Anbautechnik und Feldhygiene mit der sorgfältigen Bearbeitung des Bodens – also mit Pflügen und Eggen vor der Aussaat im Herbst und Walzen im Frühjahr.
Unkraut: Konkurrenzkampf um Licht und Nährstoffe
Der Getreideanbau der Familie Grunder erfolgt nach dem Extenso-Prinzip. Das bedeutet, dass sie Aspekte wie Saatgutqualität, Fruchtfolge, Bodenschutz und ausgeglichene Düngerbilanz berücksichtigen und auch Biodiversitätsförderflächen bewirtschaften. Des Weiteren wird auf den Einsatz von Fungiziden, Insektiziden und Wachstumsregulatoren verzichtet. Bruno erklärt: «Einzig Herbizide sind in beschränktem Umfang erlaubt. Ein bis zwei Mal pro Jahr dürfen wir die Felder mit Pflanzenschutzmitteln gegen Unkraut behandeln.» Das ist für den Wachstum des Weizens entscheidend, da sie im Kampf um Licht und Nährstoffe in Konkurrenz stehen. Unkräuter schon als Keimlinge zu erkennen, ist wichtig, um rechtzeitig Bekämpfungsmassnahmen ergreifen zu können. Bei der Blacke, auch Ampfer genannt, hilft das Herbizid aber nur bedingt. «Da hilft eigentlich nur Ausstechen, mühsam von Hand, jede einzelne Wurzel» sagt Bruno. «Das ist aufwändig, aber nötig. Denn ihre Samen überdauern bis zu 30 Jahre im Boden.» Hinzu kommt, dass die bis zu zwei Meter langen Pfahlwurzeln einerseits tiefgründiges Wasser und Nährstoffe erschliessen können und andererseits als Depot für Reservestoffe dienen.
Krankheits- und Schädlingsdruck aushalten
Die extensive Produktion mit Verzicht auf Fungizid und Insektizid, birgt natürlich auch Risiken. «Je nach Pilz- oder Schädlingsbefall reduziert sich unser Ertrag – bis zum totalen Ernteausfall», sagt Bruno. So sei es oft schwer, dem Druck standzuzuhalten und nicht doch noch zum Pflanzenschutzmittel zu greifen. Die Frage, die sich Bruno dabei immer stellen muss: Wie viele Blattläuse, Gallmücken oder Getreidehähnchen sind tolerierbar? Unterstützung bieten diverse Entscheidungshilfen bezüglich der Schadschwellen. Es gilt daher, den Weizen ständig zu beobachten, Prognosesysteme zu studieren und via Fachzeitungen über die aktuelle Lage informiert zu sein. «Irgendwann ist die Schadschwelle erreicht und die zu erwartenden Schäden am Erntegut sind grösser als die Kosten für Pflanzenschutzmittel. Dann muss man sich entscheiden» sagt Bruno. Dabei sei er im ständigen Austausch mit seiner Familie – wie auch mit seinen Nachbarn – inklusive Rasenmäher-Phänomen. Bruno erklärt: «Fängt der erste damit an, dauert es nicht lange und man tut es ihm gleich.» Aber: «Einmal gespritzt, fällt man aus dem Extenso-Programm – und es gibt bis zur nächsten Aussaat kein Zurück mehr.» Das gilt bei Bruno auch umgekehrt. «Entscheide ich mich im April, Mai gegen einen Eingriff, ziehe ich es bis zur Ernte durch und lasse der Natur ihren Lauf.»
Leben – mit und von der Natur
Die Frist, die sich Bruno setzt, schont auch die Nerven. Er sagt: «Wer sich immer und immer wieder mit den Schadschwellen auseinandersetzen muss, ist gestresst. Wir leben und arbeiten mit der Natur – da kann man nicht alles kontrollieren oder beeinflussen.» Seine Devise lautet also: Pflanzenschutzmittel ja – aber nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Im Übrigen kommt es beim Pflanzenschutz selbst auch auf das richtige Timing an. Denn ein zu früher Mitteleinsatz erreicht nicht alle Erreger; kommt er dagegen zu spät, haben sich die Populationen bereits zu stark vermehrt. Und welche Mittel genau kommen zum Einsatz? «Entscheidet man sich für eine direkte Bekämpfung und sind biologische, biotechnische oder physikalische Methoden ausgeschöpft, kommt die chemische Bekämpfung zur Anwendung – als letzte aller Massnahmen.» Bis auf Fungizide gegen Fusarien konnte er in all den Jahren weitestgehend darauf verzichten. «Das liegt mir sehr am Herzen. Schliesslich will ich meiner Tochter Sabrina, die mit ihrem Mann Michael den Hof weiterführen wird, guten Boden hinterlassen.»
Nächster Besuch: Die Ernte
Sommerzeit ist Erntezeit – auch auf dem Hof der Mühle Entenschiess. Bruno Grunder lässt seinen Weizen von einem Lohnunternehmen dreschen. Teil 5 unserer Beitragsserie widmet sich also dem Highlight im Getreideanbau, der Ernte. Warum Bruno und Sabrina am Weizenkorn knabbern, was die Zahl 14 damit zu tun hat und was Maja in dieser Zeit erledigt.