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Brot als Lifestyle Produkt

Brot in der Gastronomie aus Sicht eines Sensorikers

Patrick Zbinden ist ausgebildeter Fachmann für Kulinarik mit Schwerpunkt Lebensmittel-Sensorik. Seit über 20 Jahren leitet er regelmässig Degustations- und Schulungsseminare, welche mitunter in Kooperation mit renommierten Köchen durchgeführt werden. Mit uns hat er über den Einsatz von Schweizer Brot in der Gastronomie gesprochen.

Virginia Beljean

Welchen Stellenwert hat Schweizer Brot in der Gastronomie für Sie?

Schweizer Brot steht für Mood-Food, für Emotionen. Wenn in einem Restaurant Brot gereicht wird, sei dies zur Vorspeise, zum Hauptgang oder zum Dessert, dann sind damit Emotionen verbunden. Davon können Gastronomiebetriebe profitieren, indem sie ein besonderes Augenmerk auf die Darbietung des Brots legen.
In der Realität wird das leider häufig unterschätzt und das Brot spielt im Tisch-Szenario nur eine Nebenrolle – das ist schade.

Sie empfehlen den Gastronomen also zu kommunizieren, dass sie mit Schweizer Brot arbeiten?

Unbedingt. Wir haben uns daran gewöhnt, dass bei Fleisch und Fisch kommuniziert wird, aus welcher Region oder aus welchem See die Produkte stammen. Auch beim Brot sollte auf der Karte vermerkt werden, woher es kommt.

Was bringt es dem Gastronomen für einen Nutzen, wenn er Schweizer Brot besser ins Zentrum rückt?

Er kann damit beim Gast punkten und sein gesamtes Angebot aufwerten. Die Grossverteiler haben bereits erfolgreich vorgelebt, wie man kommunizieren kann, dass Gemüse, Fleisch und Fisch aus der Region stammen. Die Gastronomen schöpfen dieses Potential noch zu wenig aus. Dabei müssen sie keine Pionierstellung mehr einnehmen, sondern können auf einen fahrenden Zug aufspringen. Das grosse Plus ist die emotionale Verknüpfung mit Brot und die entsprechende Inszenierung. Es reicht nicht, dass der Herkunftsort auf der Karte vermerkt ist. Es geht auch darum, wie das Brot präsentiert, dargereicht und aufbewahrt wird. Dadurch wird Schweizer Brot wieder mehr Respekt gezollt.

Wie würden Sie sich in Bezug auf Brot positionieren, wenn Sie einen Gastrobetrieb leiten würden?

Ich würde traditionelle Schweizer Brotgerichte wie Canapés, Schyterbyg, Brotpudding, Vogelheu oder Fotzelschnitte auf die Karte nehmen und neu interpretieren. Die Retrowelle ist Teil der Gastronomie und spielt schön auf das Mood-Food-Thema ein. Aber auch moderne Brottrends wie Tartines, Zupfbrote oder Baguette Magique haben Potential, als Vorspeise auf die Karte gesetzt zu werden. Der Gast kann hat so die Möglichkeit, verschiedene Brotspeisen zu teilen.


Praesident der Sensorik-Jury Patrick Zbinden waehrend der Preisverleihung der Bio Suisse Gourmet Knospe am Dienstag 9. Juni 2015, im Restaurant Escherwyss in Zuerich. © PHOTOPRESS/Dominik Baur

Das Brot wird also nicht nur beiläufig zum Salat gereicht, sondern als eigene Speise, als eigener Gang inszeniert?

Genau, es soll damit gespielt werden. Nehmen wir das Sandwich: da denkt man sofort an Take Away oder an Club Sandwich. Der Gastronom kann sich aber auch überlegen: Wie denke ich das Thema Sandwich als Teil eines Menüs? Da liegt ganz viel Potential brach.

Mit wem welchen Partnern würden Sie zusammenarbeiten?

Heute ist man als Gastronom kein Einzelkämpfer mehr. Dem Bäcker geht es nicht gut, dem Metzger nicht und auch den meisten Gastronomen nicht. Es liegt deshalb auf der Hand, Synergien zu nutzen. Das kann heissen, dass der Gastronom gemeinsam mit dem regionalen Bäcker ein Brot entwickelt. Das Brot steht im Restaurant auf der Karte, wird aber auch vom Bäcker verkauft. Das Restaurant macht also Werbung für den Bäcker und umgekehrt. Grosse Brote haben ein viel höheres geschmackliches Potential. Der Gastronom verfügt aber häufig nicht über die nötige Infrastruktur, um grosse Brote zu backen. Man kann als Gastronom aber auch einen Schritt weitergehen und das Food-Pairing-Konzept bespielen. Zum Beispiel indem er mit dem regionalen Winzer ein Weinbrot entwickelt, welches perfekt zum Wein des Winzers passt. Man kann so die ganze Region in ein Brot verpacken.

Haben Sie weitere Inputs, den Sie den Gastronomen mit auf den Weg geben möchten?

Gastronomen müssen wegkommen vom Gedanken, dass Brot ein billiges Zeitvertreibungs-Lebensmittel im Vorfeld des Essens ist oder “Beigemüse”, das zur Suppe oder zum Salat gereicht wird. Sie müssen das Thema Schweizer Brot aufgreifen und überlegen, was gut zusammenpasst. Steht beispielsweise eine Kürbissuppe auf der Karte, passt ein Kastanienbrot.Gastronomen sollten vermehrt berücksichtigen, welche Aromen miteinander harmonieren – das nennt man Food-Pairing. So oder so: Brot ist ein Lifestyle Produkt geworden. Die Zeit spielt den Gastronomen in die Hände, sie müssen den Trend nur noch auf den Tisch bringen.

© Headerbild PHOTOPRESS/Dominik Baur