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Wir backen Tells Lieblingsbrot

Woher kommt das Buttergebäck? Was ist drin? Und wie schmeckts?

Was war Wilhelm Tells Lieblingsbrot? Es war butteriges, weiches, luftiges Weissbrot. Offiziell heisst es 1.-August-Weggen und schmeckt übrigens so, wie es klingt: weich, wolkig, wundervoll.

Nina Kobelt

Was war Wilhelm Tells Lieblingsbrot? Ein dunkles Pfünderli? Ein kerniges Fladenbrot? Nein, behaupten selbstsicher die Bäcker dieses Landes. Es war butteriges, weiches, luftiges Weissbrot. Offiziell heisst es 1.-August-Weggen und wird diese Woche in den Bäckereien und Grossverteilern angeboten. Der Weggen schmeckt übrigens so, wie er klingt: weich, wolkig, wundervoll.

In der Berner Bäckerei Bread à porter liegen Brötchen jeweils in der 1.-August-Woche im Regal. Bäckermeister Patrik Bohnenblust will uns Schritt für Schritt zeigen, wie so ein Weggen entsteht, den Teig hat er schon gemacht. Seine Backstube an der Münstergasse ist offen – wer will, kann sowieso jederzeit zuschauen, wie das tägliche Brot entsteht.

Heute ist es ruhig, die Touristengruppen ziehen vorbei. Wenn die wüssten! Schweizerischer und bernischer könnte ein Brot gar nicht sein. Schweizerisch: Das goldgelbe Buttergebäck wird seit über 50 Jahren hergestellt, Ursprung ist der Schweizerwoche-Weggen (siehe unten). Eine fixe Form für den Weggen kennt man nicht, den meisten ist aber gemein, dass irgendwo das Schweizer Kreuz zu sehen ist. Sei es als Fähnchen oder auf dem Gebäck selber oder beides.

Und ja, das feine Brötchen ist auch ziemlich bernisch: Kein anderer Kanton steht so auf und für Züpfe wie Bern: Ein 1.-August-Weggen wird aus Zopfteig gemacht. «Bei den meisten Bäckern ist das jedenfalls so», sagt Patrik Bohnenblust. Nun weiss aber, wer schon mal einen Weggen genossen hat, dass ein Stück Züpfe etwas ganz anderes ist. Warum? Eine Kopfsache? «Nein», sagt der Bäcker sehr bestimmt. «Nicht nur. Beim Zopf haben wir Stränge, die wir auseinanderziehen und wieder zusammenflechten. So luftig wie ein Weggen kann ein Zopf gar nie werden.» Ja, luftig locker ist er und schmeckt leicht süsslich. Ja, wir kauen schon darauf herum und denken an kleine Kissen im Schlaraffenland und Wilhelm Tell und «Legen wir los», sagt Patrik Bohnenblust.

Wir wollen schneiden

Der Teig gehe schneller auf, wenn es warm sei, sagt der Bäcker. Er lässt seine Teige zweimal aufgehen, allerdings im Kühlraum. Und das über Nacht. 35 Kilo sind es heute, 35 Kilo Butterzopfteig. Auch das ganze Stück sieht aus wie ein schönes, weiches Kissen.

Wenn der Teig aufgegangen ist, in Stücke schneiden… © Urs Baumann

Was für eine Teamarbeit im Bread à porter: Bäcker Raffaele Ferraro schneidet kleine Stücke zu, Patrik Bohnenblust formt sie zu Kugeln, und Fabienne Dolder legt sie auf ein Blech. Sie sollen aufgehen. Für einmal nicht über Nacht, sondern nur während einer Stunde. Wäre es draussen Hochsommer, würde eine Viertelstunde reichen Das mit der Aufgehzeit sei halt ein Ausprobieren, sagt der Profi.

Ein einzig Kreuz

Extrem, wie die Brötlein aufgehen, in so kurzer Zeit. Patrik Bohnenblust lächelt. Und holt eine Schere. Einen 12er-Schnitt solls jetzt geben. Das machen nur noch die Bäckereien, Grossverteilern ist der Aufwand zu gross: Mit einer Schere schneidet er zwölfmal in jeden Weggen, ein Kreuz entsteht. Am besten macht man das nach dem Bepinseln mit Ei. Dann: Ein Blech nach dem andern wandert in den Ofen.

mit einer Schere ein Schweizer Kreuz einschneiden… © Urs Baumann

Touristen drücken sich am Fenster die Nase platt. Sie haben die Schweizer Fähnchen entdeckt, die Patrik Bohnenblust bereitmacht. Jetzt holt er die Bleche. Goldig sind sie geworden, unsere kleinen Weggen. Und wie sie riechen. Wir stecken Fähnchen in die Brötchen. Tells Lieblingsbrot? Wohl kaum. Aber unseres könnte es werden. Auch, weil er sich so rarmacht, der 1.-August-Weggen.

und so sieht das Ergebnis aus © Urs Baumann

Ein alter, patriotischer Zopf

Lange bevor der Nationalfeiertag ein richtiger Festtag wurde – das geschah erst 1993 mittels einer Volksabstimmung –, erklärten Bäcker den 1.August zum Feiertag. Und zwar mit einem Zopf in Brotform. Am 1.August 1959 lancierte der Schweizerische Bäcker- und Konditorenmeisterverband ein Buttergebäck mit Fähnchen. Laut Verband verdankt der 1.-August-Weggen seine Entstehung der Schweizerwoche. Diese wurde in der Zwischenkriegszeit infolge der Krise der 1920er- und 1930er-Jahre durchgeführt, um für einheimische Produkte zu werben: Schweizer sollten Schweizer Ware kaufen.

Auch die Bäckereien und Konditoreien beteiligten sich an dieser jährlichen Aktion und boten einen Schweizerwoche-Weggen an. Für die Weggen werden Vollmilch und ausschliesslich Butter (und kein anderes Fett) verwendet. Heute gibt es auch Minivarianten, und die Bäcker schneiden vor dem Backen ein Kreuz in den Teig. Der 1.-August-Weggen lebt nicht lange: Bäckereien verkaufen ihn ungefähr während einer Woche.

Headerbild © Urs Baumann

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Bread à porter

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