Story

Zu Besuch in Seengen

Vom Ursprünglichen zum Einzigartigen

Der Aargau ist stolz auf seine Rüebli – schliesslich ist er das Rüebliland. Doch den Kanton kulinarisch so eng zu fassen, wäre schade. Schliesslich liegen hier auch die Wurzeln des UrDinkels. Sein kerniger Geschmack und seine wertvollen Nährstoffe machen ihn allseits beliebt. Das betont auch Daniel Hächler, Bäcker-Konditor in Seengen, den wir auf unserer Schweizer Brot-Entdeckungsreise besuchen.

Marlies Keck

Nicht viel hat gefehlt und der UrDinkel hätte die Industrialisierung nicht überlebt. Das wäre ein grosser Verlust gewesen. Denn UrDinkel enthält unter anderem wertvolle Proteine, ist eine wichtige Quelle essentieller Aminosäuren und punktet mit seinem hohen Mineralstoffgehalt. Damit ist UrDinkel für unsere Ernährung eine ausgewogene Bereicherung. Das «Ur» verdankt das Korn übrigens nicht nur seiner langen Geschichte. Der Name ist eine in der Schweiz gebräuchliche Marke und garantiert die ausschliessliche Verwendung von nicht mit Weizen gekreuzten reinen, alten Schweizer UrDinkelsorten. Darunter das Oberkulmer Rotkorn aus dem Wynental, die älteste der heute verbreiteten UrDinkel-Sorten.

UrDinkel Feld

Brot aus regionaler Getreidesorte

Daniel Hächler, Bäcker-Konditor in sechster Generation aus Seengen, setzt bewusst auf UrDinkel. Es sei Familientradition aber vor allem Überzeugung. «Gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit werden immer wichtiger und regionale Produkte zählen wieder.» Tatsächlich befinden wir uns mitten im Anbaugebiet des Oberkulmer Rotkorns. Im Seetal, zwischen Lenzburg und Hitzkirch. Und auch die Mühle befindet sich im Dorf. Hier wird UrDinkel geröllt, gemahlen und zu küchenfertigen Produkten weiterverarbeitet. Das Röllen ist ein besonderer Arbeitsschritt bei der Verarbeitung von UrDinkel. Denn UrDinkel ist kein Nacktkorn-Getreide, das Korn ist nach dem Dreschen immer noch im Spelz eingeschlossen.

Erst beim Röllen in der Mühle werden die Kerne vom Spelz befreit. Röllen erfordert viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Nur wenn der Röllstein richtig gehauen, der Röllgang richtig eingestellt und die Arbeit laufend überwacht wird, werden in dieser Rotationsbewegung die Spelze schonend vom Kern gelöst. Mit Hilfe von Sieben und Luftströmen werden die Spelze in einem weiteren Arbeitsschritt vom Korn getrennt. Der leichte Spelz (nun Spreu genannt) wird durch einen Luftstrom weggetragen, während die schweren Kerne im Sieb liegen bleiben. Danach werden die Kerne auf der Mehlmühle zu sämtlichen Mehl-, Schrot- und Flockenprodukten verarbeitet.

UrDinkel Zutaten

Vielfalt im Angebot

Vollkornprodukte aus UrDinkel sind sehr geschmeidig und fein, gehaltvoll und damit natürlich auch voll im Geschmack. UrDinkel muss aber nicht ‹dunkel› sein. Auch helle Mehle und polierte Kerne (sogenanntes Kernotto) mit kleinerem Schalenanteil sind beliebt. Entsprechend gross ist auch Hächlers Angebot: es gibt das UrDinkel-Vollkornbrot, das UrDinkel-Schrotbrot und den UrDinkel-Zopf. «Neu bieten wir nun auch das UrDinkel-Ruchbrot mit Sauerteig an, bei dem ich von Hand anmische und den Teig sehr schonend verarbeite und falte.» So könne sich das sogenannte Klebereiweiss optimal entfalten und das Resultat sei ein plastisch-elastischer, schöner Teig. Überhaupt legt er viel Wert auf eine natürliche Verarbeitung der Zutaten und Frische.

«Wir sind ein kleiner Betrieb mit kleinem Kühlraum. So produzieren wir stets frisch – zwangsläufig. Aber das ist auch unsere Philosophie. Wir verzichten auf Backmittel und wo möglich auch auf Milchpulver.» Er probiere halt einfach gerne aus – auch beim Thema Sauerteig. «Aktuell sind es deren vier: Neben dem UrDinkel-Sauerteig pflegen wir einen Roggen-Sauerteig aus Deutschland, aus dem Französischen den ‹levain liquide› für unsere Baguettes und den ‹Lievito madre› aus Italien, den wir für Panettone nutzen.»

Mit der Heimat verwurzelt

Auch wenn sich Daniel Hächler von Deutschland, Frankreich und Italien inspirieren lässt und fast in allen Regionen der Schweiz gearbeitet hat – er ist und bleibt mit dem Aargau verbunden. Schon an seiner Meisterprüfung entschied er sich für das naheliegende: Produkte aus der Region Seetal – Hallwilersee herzustellen. Er beschloss bei sämtlichen Gebäcken in traditioneller Herstellungsweise zu arbeiten. Das heisst, mit sehr lang geführten Teigen und mit sehr wenig Hefe zu arbeiten. Schon da verzichtete er gänzlich auf die Beigabe von Backmitteln. «Dieses Vorgehen zeichnet sich durch einen hervorragenden Geschmack und eine lange Frischhaltung der Gebäcke aus, und wurde von den Experten mit Topnoten ausgezeichnet.»

Erfolgreich war er auch an Berufswettbewerben. An der 18. Bäcker-Europameisterschaft im französischen Nantes holte er sich im Team hinter Holland und vor Gastgeber Frankreich die Silbermedaille. Nach dreieinhalb Jahren in Luzern, verliess Daniel die Richemont Fachschule und ging nach Lausanne, wo er bei der Confiserie Boillat das Pâtisserie-Handwerk lernte. Im Herbst 2014 wechselte er dann in den elterlichen Betrieb in Seengen, wo er nun die Tradition und Philosophie seines Vaters Max fortsetzt und zur Freude der Kunden von Zeit zu Zeit neue Akzente setzt.

Vom Ursprünglichen zum Einzigartigen

Wie seine Vorfahren vor sechs Generationen produziert auch Daniel Hächler Brot, Spezialbrote und Kleingebäck mit grösster Sorgfalt. Nach alter Tradition gären die Brotteige langsam, über eine längere Zeit, bis zu 28 Stunden. Spezielle Familien- oder Geheimrezepte gibt es zwar nicht. «Aber wir haben eine riesige Auswahl an Rezepten. Mein Vater ist ein grosser Sammler. Speziell sind bei uns die alten Formen für Osterhasen oder auch die Bärentatzen, die wir mit dem Ur-rezept aus dem Jahr 1875 herstellen.»

Bei aller Tradition lässt er es sich nicht nehmen, Neues auszuprobieren und zu experimentieren. Auch mit ungewöhnlichen Zutaten, wie beispielsweise der Brennnessel, die als heimischer Superfood gilt. «Mein Ziel ist es, ein heimisches Brot zu kreieren, das es nirgendwo sonst gibt. Dafür nutze ich alte wie neue Techniken, gehe zurück zum Ursprünglichen, grabe ein altes Rezept aus, lese aktuelle Studien und bilde mich laufend weiter.»

Warum nicht? Mit dem Oberkulmer Rotkorn haben die Aargauer ja schon bewiesen, wie innovativ sie sein können. Und Fakt ist, dass der UrDinkel aus der Nische tritt und zum Trend wird. Sowohl Gourmets als auch Spitzenköche setzen vermehrt auf ‹regionale Produkte mit unverwechselbarem Eigengeschmack›. Auf der Suche nach dem Einzigartigen gehe zwar auch mal was schief. Aber das Innovative, das Ausprobieren und Weiterentwickeln mache seinen Beruf erst richtig interessant. Und: «Ich bin einfach sehr froh, habe ich im Familienbetrieb die Freiheiten, meinen Ideen nachzugehen.»

Bäckerei Hächler
Poststrasse 4, 5707 Seengen

Montag 06.00 bis 12.30 / 13.30 bis 18.30
Dienstag geschlossen
Mittwoch bis Freitag 06.00 bis 12.30 / 13.30 bis 18.30
Samstag 06.00 bis 16.00 duchgehend
Sonntag 07.00 bis 12.00

www.beck-haechler.ch