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Der Ursprung des UrDinkels

Das Rotkorn aus Oberkulm

Die Wurzeln des heute wieder verbreiteten UrDinkelanbaus liegen unter anderem im Aargau. Nach Erzählungen verdankt der UrDinkel sein Überleben in der Schweiz einigen zähen Oberkulmer Saatgutzüchtern. Sie sollen 1910 das Oberkulmer Rotkorn entwickelt haben, die älteste der heute verbreiteten UrDinkel-Sorten.

Marlies Keck

Produkte aus UrDinkel gelten als gesund. «Es ist warm, nährend und kräftig.» Das schrieb Äbtissin Hildegard von Bingen schon im Mittelalter. Tatsächlich baute man das gelobte Wundergetreide bereits in der Bronzezeit an. Das «Ur» verdankt das Korn übrigens nicht nur seiner langen Geschichte. Der Name ist eine in der Schweiz gebräuchliche Marke der IG UrDinkel und garantiert die ausschliessliche Verwendung von alten Schweizer UrDinkelsorten. Mit der Industrialisierung drohte der UrDinkel aber von der Bildfläche zu verschwinden und vom Weizen verdrängt zu werden. Da UrDinkel aber sehr robust ist und selbst auf kargen Böden gedeiht, setzten einige Bauern weiterhin auf das heimische Korn und nahmen sich damals der Zucht an.
Urdinkel Feld

Oberkulmer Rotkorn

Durch konsequente Selektion des Saatguts gelang es drei Oberkulmern offenbar, ab 1910 die Qualität des Getreides kontinuierlich zu verbessern und auch den Ertrag zu steigern. Das Ergebnis nannten sie der rötlichen Farbe wegen «Oberkulmer Rotkorn». In der Dorfchronik von Oberkulm wird ihm denn auch ein ganzes Kapitel gewidmet. «Das Ziel bestand darin, ein backfähiges, hochwertiges, standfestes und auch im Stroh befriedigendes Produkt zu züchten», hielt der Chronist fest. Bodenverhältnisse, Widerstandsfähigkeit, Genügsamkeit und Düngerfrage spielten damals wie auch noch heute eine massgebliche Rolle.

Die züchterische Mühe wird belohnt: Das Oberkulmer Rotkorn setzte sich durch und kam an die Spitze der offiziellen Saatgutliste. Seither gilt das Oberkulmer Rotkorn als UrDinkel schlechthin. Darauf sind die Oberkulmer stolz – umso mehr, als UrDinkelprodukte heute einen regelrechten Boom erleben. «UrDinkel ist in aller Munde», sagt auch Daniel Hächler von der Bäckerei Hächler in Seengen. Insbesondere wegen seiner Bekömmlichkeit und dem Bedürfnis nach einem unverfälschten «Ur-Getreide» erfreut sich der UrDinkel grosser Beliebtheit bei den Konsumenten. Die schweizerische Interessengemeinschaft UrDinkel bestätigt: Für die Marke UrDinkel sind nur alte, nicht mit Weizen gekreuzte Sorten zugelassen. Bis heute sind dies Oberkulmer Rotkorn (registriert 1948) und Ostro (1978).

Geröllt und gemahlen

Eine Eigenheit des UrDinkelkorns ist seine «Verpackung»: Das Korn muss zuerst von den Spelzen (Schutzmantel) befreit werden, bevor es gemahlen werden kann. Diesen Vorgang nennt man «Röllen». Eine Arbeit, die viel Sorgfalt und Fingerspitzengefühl erfordert. Die Mühle Häusermann in Seengen ist auf UrDinkel spezialisiert. Der UrDinkel wird hier geröllt, gemahlen und zu küchenfertigen Produkten weiterverarbeitet. Die Lieferanten stammen aus dem Seetal, dem Freiamt und dem Wynental.

Trendprodukt UrDinkel

Dass der UrDinkel eine eigentliche Renaissance erlebt, ist den Bauern und Müllern wie auch aufgeklärten Konsumenten zu verdanken. UrDinkel ist ein eiweissreiches Getreide, dessen Mehl verschiedene Vitamine (B1, B6) und Mineralstoffe, zum Beispiel Eisen, Magnesium und Phosphor, sowie hochwertige ungesättigte Fettsäuren – und kein Cholesterin – enthält. Der hohe Anteil an komplexen Kohlenhydraten und Nahrungsfasern macht UrDinkel zur idealen Ernährung für Figurbewusste und Sportler (allerdings nicht für Menschen, die kein Gluten vertragen). UrDinkel ist aber auch bei den Gourmets im Trend.  Einerseits Dank seinem unverwechselbaren Eigengeschmack, andererseits auch wegen seiner vielseitigen kulinarischen Eigenschaften. Mit UrDinkel lässt sich fabelhaft backen. Er überzeugt aber auch als schmackhafte Frühstücksflocken, UrDinkelgriess für Suppen und Puddings, als Kernotto aus ganzen Kernen oder als Single Malt.

Egal aus welchen Gründen man sich letztlich für UrDinkel entscheidet – für uns steht fest: Das Brot hat eine ganz unvergleichliche «Chuscht». Oder wie die heilige Hildegard formulierte: «Es hat die Seele voll Heiterkeit.»