Willkommen in Mostindien, wo der Bio-Beck Lehmann seine Köstlichkeiten zaubert.
Wir treffen um Mitternacht in Lanterswil mitten im Thurgau ein. Schemenhaft erkennt man am Strassenrand die voll behangenen Apfelbäume.
Eine schmale Zufahrtstrasse führt zu einem bestens in die Landschaft integrierten Gebäude, der Produktionsstätte von Bio-Beck Lehmann. Draussen ist es still und dunkel, drinnen herrscht schon reger Betrieb. Um 23 Uhr haben die ersten Mitarbeitenden ihre Arbeit aufgenommen eine Stunde später kommen die ersten, herrlich duftenden UrDinkelbrote aus dem Ofen. «Alle unsere Teige werden am Vortag zubereitet, so können sie über 12 Stunden gären. Die allermeisten Teige werden an einem kühlen Ort gehalten und können dort ihr volles Aroma ausbilden», erklärt Joachim Lehmann. Aha. Deshalb ist es möglich, dass in Lanterswil schon kurz nach Mitternacht die ersten frischen Biobrote aus dem Ofen kommen.
Nun aber werden die Laibe geformt, das Powerbrot; ein reines UrDinkelbrot mit geraffelten frischen Rüebli, Baumnüssen und Sprossen von Mungobohnen und Berglinsen. Die Rezeptidee stammt von Vater Andreas Lehmann. Dieses Brot hat er für eine Bio-Messe entwickelt und dort vor den Besuchern geknetet und gebacken. In der Bäckerei Lehmann wird wenig gesprochen. Alle kennen ihre Handgriffe und arbeiten Hand in Hand.
Der Backzettel für diese Nacht liegt für alle gut sichtbar auf. Er gibt Auskunft über die bestellten Gebäcke sämtlicher Kunden, die am Morgen durch die Fahrer und Fahrerinnen beliefert werden. An Vielfalt ist er kaum zu übertreffen: Vom Weizenmehl Ruch-, Halbweissbrote, Baguette, Tschutter-, Urchig, Maisbrötli, Gipfeli, Laugenbretzel, Handbürli, Ciabatta, Pain Fougasse und Hausbrote. Roggenlaib und Einkornbrot mit reinem Natursauertieg. Vom UrDinkelmehl das Backferment, Ämitaler-Vollkorn, Halbweiss, Korn-Vitalbrot, Powerbrot, Obstbrötli, Pane Olive, Focaccia, Laugenzöpfli, UrDinkelknopf, Feigen-Nussbrötli, vegane Gipfeli, Bürli, Pausenbrötli und vielen mehr. Die Liste will kein Ende nehmen und am Wochenende werden dann noch verschiedene Zopfsorten angeboten.
In der Backstube wird fleissig weiter geformt. Rund um den Tisch in der Mitte wird abgewogen, in geübten Handgriffen geformt, auf Bretter oder Tücher abgesetzt, Kleinbrötli aufgeschliffen und in regelmässigen Abständen auf Bleche gelegt. Dann gelangen die Produkte je nach Art, in die Kühlung, in den feuchtwarmen Gärraum oder verschwinden sofort im heissen Ofen, wo sie nochmals an Volumen zulegen.
Matthias Capt betreut heute Nacht die beiden Öfen. Ein Blick in den Feuerungsraum offenbart das Geheimnis der beiden Backöfen. Je ein Blechtank enthält die benötigten Holzpellets, welche von dort in den kleinen Brenner gefördert werden. Beim Aufheizen könnte ein Brenner theoretisch 200 KW leisten. Um die Temperatur zu halten, ist dann jedoch nur eine kleine Flamme notwendig. Über dem Feuer ragen Dampfrohre aus der Mauer, sie verteilen die Hitze regelmässig in den mit massiven Steinplatten ausgestatteten Backraum. «Wir müssen die Öfen nicht mehr selber anfeuern, das übernimmt die Steuerung, dafür sind alle drei Etagen vom gleichen Feuer geheizt und können nicht separat eingestellt werden», so der gelernte Bäcker-Konditor, und schon holt er gekonnt die Urchig-Brote aus dem Ofen.
Lässt man den Blick durch die Backstube schweifen, fallen einem die vielen Zutaten auf, die das Brot vom «Bio-Beck Lehmann» auszeichnen. Hier findet man Haferkerne, Leinsamen, UrDinkelpaniermehl, Goldhirse, Grünkern, ungeschälte Sesamsamen, Sonnenblumen- und Kürbiskerne, Sojabohnen natives Olivenöl, Atlantik Meersalz und noch vieles mehr. Neben der Kneterei gibt es auch eine Mühle, darauf wird sämtliches Vollkornmehl selber gemahlen. «Das ist uns wichtig», erklärt Joachim Lehmann, «wenn wir selber mahlen, können wir immer das ganze Korn verwenden. Im Keimling, der sonst entfällt, steckt die Vitalität, um von neuem eine ganze Pflanze ausbilden zu können.»
Sandra Burkhart portioniert derweil den weichen Teig für die Knusperhausbrote. Fast aufs Gramm genau stimmt jeweils die Menge, die vom grossen Stück abgeteilt wird. Das fachliche Können und die Routine der gelernten Bäcker-Konditorin sind eindrücklich. Die Bäckerei Lehmann beschäftigt über 50 Mitarbeitende, wovon rund 30 ausschliesslich in der Produktion tätig sind. Die Produktion wird von drei Teams bewältigt, der Bäckerei-Nachtschicht, Bäckerei-Tagesschicht und vom Konditorei-Confiserieteam. Pro Jahr werden ein bis zwei Lehrstellen vergeben und nicht selten kommen die jungen Leute später einmal zurück in den Betrieb, wo sie gestartet sind. Ausserdem gibt es hier Menschen mit Handicap, die in den Arbeitsablauf integriert sind. Je nach ihren Fähigkeiten unterstützen Sie das Team bei der vielen Handarbeit in unterschiedlichen Bereichen.
2012 hat Anna Lehmann die Leitung des Unternehmens übernommen. Seit die Eltern Andreas und Mares Lehmann 1976 den Betrieb gegründet haben, wird die Idee, ökologisch zu produzieren, verfolgt und Schritt für Schritt umgesetzt. Heute ist es möglich, alle Zutaten in biologischer Qualität zu beziehen und so ist das gesamte Sortiment seit 2009 in Bioqualität. Viele Rezepte würden hier im Haus entwickelt und die Mitarbeitenden seien geübt, die Dinge von Grund auf selber herzustellen.
«Bei Einkauf und Verarbeitung folgen wir klaren Grundsätzen. Wir verwenden für unsere Produkte konsequent Biozutaten und mit unseren Lieferanten und Produzenten pflegen wir einen offenen Austausch und stecken uns gegenseitig an, mit Begeisterung für das Handwerk und für die Produkte, die wir täglich herstellen. So wie die Produzenten sorgsam unsere Rohstoffe herstellen, möchten wir das in unserer Backstube auch tun», sagt Anna Lehmann: «Zum Beispiel unser Hausbrot: Da ist es wichtig, dass der Teig über eine Stunde schonend geknetet wird und dass er dann während 12 Stunden auf ganz natürliche Art und Weise seine luftige Struktur und die verschiedenen Aromen ausbilden kann. Dann wird darauf geachtet, die Stücke sorgfältig zu teilen und zu formen, damit die gewachsene Struktur erhalten bleibt. Wenn alles klappt heben die Laibe im Ofen rund vom Boden ab und es ist eine wahre Freude die Brote den Kunden zu verkaufen.»
Die Bio-Bäckerei hat sich vom kleinen Dorfladen heraus zu einem Betrieb mit 80% Lieferumsatz entwickelt. Beliefert werden Fachgeschäfte des Biofachhandels und verschiedene Gastronomiebetriebe. Hier schliesst sich der Kreis mit viel Leidenschaft und Fachwissen werden die Kunden bei der Auswahl ihrer Gebäcke beraten.