Nachgefragt
«Food Waste zu vermeiden ist tagtäglich gelebte Kreativität», sagt Annekathrin Jezler, Projektleiterin bei foodwaste.ch. Wir haben nachgefragt, wie sich das im Alltag umsetzen lässt, wo Food Waste entsteht, und holten uns wertvolle Tipps.
Frau Jezler, haben Sie besonders gute Zähne?
Nein, wieso?
Ich nehme an, als Projektleiterin bei foodwaste.ch essen Sie auch altes – also hartes – Brot…?
Ach so, nein, das kommt eher selten vor. Vermutlich, weil ich mein Brot oft selbst backe und dies sehr lange frisch bleibt. Oder, weil ich jeweils nur so viel einkaufe, wie ich essen mag. Clever Einkaufen ist Schritt 1 gegen Food Waste.
Wie sieht «cleveres Einkaufen» denn genau aus?
Zunächst sollte man seinen Bedarf kennen. Bevor man also einkaufen geht, noch schnell einen Blick in den Kühlschrank und auf die Vorräte werfen, um zu sehen, was noch da ist. Dann eine Liste schreiben und nur das kaufen, was man auch konsumieren will. Gerade bei Aktionen kommt man sonst leicht in Versuchung. Und noch ein Tipp: Nie hungrig einkaufen! Ein knurrender Magen verleitet, mehr zu kaufen als man braucht.
Macht unser Einkaufsverhalten denn wirklich einen Unterschied aus?
Absolut. 8 Millionen Menschen in der Schweiz können etwas verändern. Nämlich dann, wenn wir auch unförmigem Obst und Gemüse, Brot vom Vortag und weniger edlen Fleischstücken eine Chance geben. Klar ist: Alle Akteure der Lebensmittelkette verursachen Food Waste. Zusammen 2.8 Millionen Tonnen. Doch ganze 28% davon werden in unseren Haushalten verursacht. Und die Umweltbelastung durch im Haushalt verschwendete Lebensmittel ist besonders gross. Gründe dafür liegen beispielsweise in den tiefen Ausgaben für Nahrungsmittel und im Überangebot: Weil wir es uns leisten können, kaufen wir zu viel und unüberlegt ein. Wir vergessen, was wir im Kühlschrank haben, lagern die Lebensmittel nicht richtig und verringern so deren Haltbarkeit. Ein weiterer Grund ist, dass wir das Mindesthaltbarkeitsdatum falsch interpretieren und Produkte nicht mit unseren Sinnen beurteilen. Zu guter Letzt kochen wir dann auch noch zu grosse Portionen und verwerten die Reste nicht.
Hier kommt Ihre Null-Resten-Küche ins Spiel. Was steckt dahinter?
Die Null-Resten-Küche ergänzt unser Themenkochbuch* «Restenlos glücklich» mit genussvollen, praxisorientierten Kursen und Events. Immer steht die gemeinsame Arbeit mit Lebensmitteln und der Austausch untereinander im Zentrum. Es wird geschnetzelt, geknetet, gekocht, gebacken und genossen. Fakten rund um das Thema Food Waste sowie praktische Tipps für den Haushalt runden die Anlässe ab.
Wie sieht denn die Lernkurve aus? Hat sich das gesellschaftliche Bewusstsein verändert?
Ich denke schon. In Zahlen lässt sich das leider noch nicht festhalten. Dazu fehlen die neusten statistischen Erhebungen. Wir merken aber, dass das Thema in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen hat. Gerade unsere Ausstellung «Aus Liebe zum Essen» ist sehr beliebt und auch die Anzahl an Foodsave-Banketten nimmt laufend zu. Zudem sind zahlreiche private Initiativen entstanden, die sich gegen Food Waste einsetzen. So findet nach und nach ein Umdenken statt. Nicht nur bei den Konsumentinnen und Konsumenten, sondern bei allen Akteuren der Lebensmittelkette. Hier spielt natürlich auch der Aktionsplan des Bundes eine bedeutende Rolle.
Auch bei Brot und Backwaren beziehungsweise beim Getreide?
Ja. Es liegt ja im Interesse jedes einzelnen Akteurs der Wertschöpfungskette, das Maximum an die nächste Verarbeitungsstufe weiterzugeben. Trotzdem entstehen gerade bei der Verarbeitung von Getreide Verluste (siehe Grafik). Diese können aber als Tierfutter sinnvoll verwertet werden. Würden wir mehr Vollkornprodukte konsumieren, würden automatisch weniger Verluste für die Menschen entstehen. Denn je mehr Vollkornprodukte, desto kleiner fällt der Anteil der Nebenprodukte (auch Mühlenachprodukte genannt) aus. Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten bevorzugen wohl aber Produkte aus hellen Mehlen – trotz gesunden Vollkorn-Alternativen.
Wie sieht die Situation in den Bäckereien aus?
Natürlich wünscht sich die Kundschaft jeder Bäckerei ein vielfältiges und frisches Warensortiment bis Ladenschluss. Keine gute Idee, will man Food Waste vermeiden. Die Branche ist sehr aktiv und es gibt viele positive Beispiele, wo Brot vom Vortag zu vergünstigten Preisen verkauft wird. Sei es im eigenen Laden oder in einer Äss-Bar-Filiale. Qualitativ einwandfreie Produkte werden darüber hinaus gespendet (z.B. an Tischlein deck dich oder Schweizer Tafel), an Foodsave-Initiativen weitergegeben oder enden als Futtermittel, wenn kein anderer Verwendungszweck mehr möglich ist. Hinzu kommen weitere Massnahmen, wie etwa die Straffung der Sortimentsgestaltung, die Information und Sensibilisierung der Kundschaft oder auch die Überprüfung von Arbeitsprozessen. Dem Detailhandel geben wir übrigens neuerdings eine Toolbox an die Hand, damit Läden Lebensmittel auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums verkaufen können.
Zurück zum Haushalt. Was tun, wenn doch mal was übrig bleibt?
Kreativ kochen! Erlaubt ist, was schmeckt. Wer sich das alleine noch nicht so recht zutraut, kann gerne an einem unserer Kurse oder Events teilnehmen. Beim gemeinsamen Kochen und Geniessen werden ganz spielerisch zahlreiche Küchen-Kniffs und Foodsave-Tipps ausgetauscht. Am «Foodsave-Kitchen-Battle» treten beispielsweise mehrere Teams mit dem Kochlöffel gegeneinander an und kochen aus je drei vorgegebenen Resten und weiteren Grundnahrungsmitteln ein möglichst kreatives Restemenu. Ein grosser Spass – und überaus köstlich!
Ihre Tipps hinsichtlich Brot?
Am besten reagiert man schon früh und friert Brot scheibenweise ein, bevor es hart wird. Hat man diesen Zeitpunkt verpasst und ist das Brot trotz optimaler Lagerung hart geworden, kann man es zu Paniermehl verarbeiten. Noch nicht komplett hartes Brot kann für verschiedene Altbrot-Rezepte verwendet werden oder es lässt sich «auffrischen». Dafür einfach mit Wasser oder Milch grosszügig einpinseln und dann komplett in Alufolie einwickeln. Die Folie sollte dabei möglichst eng am Brotlaib sitzen. Anschliessend je nach Grösse für fünf bis 15 Minuten bei 150 Grad Umluft backen. Das Brot wird so nicht nur weich, sondern schmeckt auch wieder knusprig-frisch. Zur Info: Die Alufolie braucht es nicht unbedingt. Sie beschleunigt aber den Prozess und sorgt dafür, dass das Brot im Backofen nicht gleich wieder austrocknet. Die Alufolie kann mehrmals verwendet werden.
Ihr liebstes Altbrot-Rezept?
Brot-Lasagne! Anstelle der Nudelblätter setze ich einfach Brotscheiben ein. Je dicker und trockener die Scheiben, desto flüssiger muss die Sauce sein.
Und als Dessert?
Schoggi-Pudding aus Paniermehl. Die Konsistenz gleicht einem Muffin. Damit überraschen Sie Ihre Gäste garantiert „restlos“!
foodwaste.ch ist die unabhängige Schweizer Informations- und Dialogplattform zum Thema Lebensmittelverschwendung. Der 2012 gegründete gemeinnützige Verein initiiert und unterstützt Projekte mit innovativen Lösungsansätzen rund um das Thema Food Waste. Er sensibilisiert dabei Konsumentinnen und Konsumenten auf das Thema und fördert den gesellschaftlichen Dialog. Annekathrin Jezler (38) hat Umweltingenieurwesen studiert und unterstützt das Team seit 2020 als Projektleiterin.