Brot einschneiden wie Profi Fabian Füger
Sieht hübsch aus und bringt Vorteile für Kruste, Krume und Aroma: der Brotschnitt. Fabian Füger, der mit Frau Simone und Bruder Raphael den Familienbetrieb «Füger Handmade» in 6. Generation führt, zeigt, wie’s geht.
Der Brotschnitt ist eine lang bewährte Technik. Schon im Mittelalter ritzte man ein Kreuz in sein Backwerk. Damals als eine Art Bitte an Gott, dieses Brot zu segnen. Heute, um das Backwerk zu veredeln. Bäckermeister Fabian Füger weiss warum: «Beim Backen entweicht Wasserdampf aus dem Teig und die Oberfläche bricht auf» erklärt er. «Mit dem Schnitt können wir beeinflussen, wo das passiert.» Entsprechend bleibe das Brot in Form und sehe schöner aus. Das Parisette zum Beispiel. Hier sei wichtig, die maximal drei Schnitte schmalwinklig und nicht bis zum Rand zu setzen, da der Teig sonst zu breit läuft. Das Einschneiden lohne sich aber nicht nur optisch, sondern auch geschmacklich. Füger erklärt: «Das kontrollierte Entweichen von Wasserdampf sorgt dafür, dass die Krume, also der innere Teil des Brotes, schön luftig und weich bleibt.» Mit dem Einschneiden vergrössere sich die Oberfläche des Brotes und damit auch die Fläche der Kruste. «Dadurch wird das Brot knuspriger und aromatischer. Und je nachdem, wie und wo der Schnitt gesetzt wurde, entsteht im Innern eine andere Porung – mal feiner, mal gröber. Ist das Baguette zu feinporig oder in der Form fast schon stangenförmig rund, hat man wohl zu viele Schnitte gemacht oder das Messer zu rechtwinklig angesetzt» so der Profi.
Tradition und Erfolg über 6 Generationen
Die Leidenschaft für gutes Brot wurde Fabian Füger in die Wiege gelegt. Gemeinsam mit seinem Bruder Raphael und seiner Frau Simone leitet er das Unternehmen nun schon in 6. Generation. Dass sie in die Fussstapfen der Eltern treten, war nicht selbstverständlich. «Wir sind vier Brüder. Dominik, der älteste, ist als Bauführer tätig und David, der jüngste, hat das Restaurant- und Hotelfach für sich entdeckt. Raphael hat nach seiner Kochlehre die Zusatzausbildung zum Konditor-Confiseur absolviert und für mich war rasch klar, dass ich Bäcker werden möchte», so der heutige Bäckermeister und Gewinner der Bäckerkrone 2017. Dass die Familientradition so weitergeführt werde, sei schön. Doch auch Innovation sei wichtig. Entsprechend werde regelmässig investiert – sei dies in Neu- oder Umbauten, in ein neues Kassensystem oder in einen neuen Ofen. «Apropos Ofen. Nach dem Brotschnitt darf der Teig nicht mehr zu lange liegen, sondern sollte direkt in den heissen Ofen» bemerkt Fabian Füger. «Sonst fällt die Zeichnung in sich zusammen.» Für das zweite Beispiel kommt sein Roggenmischbrot mit Sauerteig zum Zug. «Diese Art Brote werden oft mit dem Schluss nach oben gebacken. Das heisst, der Ausbruch geschieht wild, ohne Schnitt», erklärt er. «Wir nehmen nun aber die glatte Oberfläche nach oben und setzen einen eleganten Schnitt.» Der eine Schnitt reiche, da bei einem Roggenbrot die Porung von sich aus schon sehr fein sei.
Der richtige Schnitt: Eine Frage der Gare
Wir wissen nun also: Wie stark ein Teigling beim Backen einreisst, ist abhängig von seiner vorherigen Garzeit, also wie lange der Teig gehen konnte. «Genau», sagt Füger. «Hatte er nur eine kurze Ruhe, finden im Inneren noch immer der Reifeprozess statt. Der Teig hat also noch Kraft, um weiter aufzugehen.» Es sei also wichtig, mit einem Schnitt eine Art Sollbruchstelle dafür zu schaffen, um trotz der Dynamik des Teiges noch Einfluss auf das fertige Gebäck zu haben. «Ist der Teigling hingegen lange gegangen, hat das Brot sein grösstes Volumen erreicht. Beim Ausbacken wird nicht mehr viel passieren. Das ist gerade für grosse Schau- oder Festbrote ideal, da man hier schöne Muster einritzen kann.» Gesagt, getan. Fabian Füger bringt sich und den rund 3 Kilo-Teig in Position. «Zunächst bemehle ich den Teig nochmal, damit die Zeichnung schön zur Geltung kommt. Als Hilfsmittel für die gleichmässige Platzeinteilung dient mir ein Tortenteiler – oder eine Schnur. Dann geht es ans Einritzen.» Während er beim Roggenmischbrot wie auch beim Parisette mit einem normalen Küchenmesser zum Schnitt ansetzte, verwendet er hier eine feine Klinge. «Beim Werkzeug ist man frei. Hauptsache, es ist scharf. Für Zopffiguren oder ähnliche Gebäcke nutzen wir auch die Küchenschere.» Wichtiger als das Werkzeug sei aber die richtige Schnitttiefe. «Je filigraner das Muster, desto weniger tief der Schnitt.» Routiniert und mit schneller Hand setzt er Schnitt für Schnitt – bis das Muster steht. «Der Trick ist, möglichst schnell zu ritzen. Sonst fängt das Zittern an», lächelt er. Und: «Wer noch nicht so geübt ist, zeichnet sich vorher eine Papierskizze auf. Passiert trotzdem ein Fehler, ist es nicht so schlimm. Essbar ist das Brot ja trotzdem!»
Handmade aus Prinzip
Wer Fabian Füger beim Brotschnitt beobachtet, sieht: Er liebt das Handwerk. Schon seit seiner Lehre – aber vor allem seit seiner Zeit bei der Richemont Fachschule – eifere er schon dem perfekten Brot nach. «Gerade, da Teig lebt und je nach Temperatur und Luftfeuchtigkeit anders reagiert, braucht es diese Hingabe», sagt er. «Entsprechend werden unsere Teige schonend hergestellt und in ‚Barrique‘-Holzfässern – in der sogenannten Wellnesszone – über 16 Stunden gelagert.» Das Konzept, wofür auch die Bäckerkrone steht, habe er zur Eröffnung der Filiale Steinach 2016 entwickelt, so dass sie in Mörschwil so gut wie nichts an den Prozessen hätten ändern müssen. «Die Standorte erhalten den Teig, produzieren dann aber autonom selbst, mit gelernten Fachleuten. Der Ofen vor Ort ist damit die einzige Maschine», führt er aus. Der ganze Rest sei Handmade – daher auch der Name.
Schon 1850 backte Jakob Füger im Gasthof Ochsen am Dorfplatz in Mörschwil die ersten Brötchen. Heute – mit der sechsten Generation am Ruder – gehören mit Mörschwil, Rorschach, Steinach und St. Gallen vier Standorte und rund 90 Mitarbeitende zum Unternehmen. Nebst dem Direktverkauf ihrer Produkte in den Verkaufsstellen, beliefert die Familie auch Spitäler, Heime, Hotels, Restaurants, Kantinen und Bistros. Weiter bietet das Unternehmen auch Gastro- und Catering-Konzepte, die sich optimal in die Prozesse der Betriebe vor Ort integrieren lassen. Fabian Füger arbeitet vor allem in der Backstube in Mörschwil, der Stammfiliale des Betriebs, und ist für alle Produktionsbetriebe zuständig. Sein Bruder Raphael, der Koch und Confiseur gelernt hat, führt das Restaurant am selben Ort, die zwei weiteren Restaurants in St. Gallen und Steinach sowie den Bereich Events und Catering. Simone, die Frau von Fabian Füger, ist gelernte Confiseurin und kümmert sich um Administration, Buchhaltung und Personal. Ob die siebte Generation übernimmt, steht noch aus – die Kinder von Fabian und Raphael stehen jedenfalls schon täglich in der Backstube – und freitags geht’s gemeinschaftlich an den Zopfteig.