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Mythen und Bräuche rund um Brot

Mehr als nur Nahrungsmittel

Kaum ein Nahrungsmittel hat eine so lange Geschichte wie das Brot. Weltweit nimmt das Brot deshalb eine wichtige Rolle in Kultur und Brauchtum ein.

Schweizer Brot

Seit Urgedenken spielt Brot für die Menschen eine wichtige Rolle und hat deshalb zahlreiche symbolische Bedeutungen. Brot ist Sinnbild für Nahrung und Leben, für göttliches, gesellschaftliches und individuelles Wohlergehen – von der Geburt bis zum Tod, der oft durch einen Schnitter (von Getreide) dargestellt wird. Kein oder nicht genügend Brot zu haben, bedeutet noch immer Hunger, Not, Elend. Brot und Salz gelten auch in der heutigen Zeit als Zeichen der Gastfreundschaft, und in alten Sagen, Legenden und Märchen werden Brotschänder und Geizige bestraft. In Religionen, Mythen und Bräuchen lässt sich das Thema Brot anhand von Überlieferungen weit zurückverfolgen – bis zum Moment, als sich der Mensch seiner Abhängigkeit von den Naturkräften bewusst wurde und aus Angst vor Missernten und Hungersnöten begann, übersinnliche Kräfte um Hilfe anzurufen.

(Bild: Thomas Mauch)

Korn – ein Wesen mit Seele

Die Sumerer, ein Volk, das seit Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. nachweisbar ist, angesiedelt in Babylonien, hielten Korn für ein Wesen mit Seele und glaubten, auch die Götter ernährten sich von Getreide. Bei jedem Göttermahl lag deshalb stets Opferbrot auf. Die alten Ägypter sollen die erste Getreideprobe jeder Ernte der Erntegöttin geweiht und den Toten als Nahrung im Jenseits Brot mitgegeben haben.

Kulte und das Abendmahl

Bei den Hebräern durfte erst dann Brot gegessen werden, wenn der erste Laib aus der neuen Ernte geopfert worden war. In Griechenland wurden Demeter, der Göttin der Fruchtbarkeit, bei der Aussaat die ersten Körner dargebracht. Später war es in Europa lange Brauch, das erste Brot aus dem neuen Getreide einem Pilger anzubieten; man wusste ja nicht, ob dieser von Gott gesandt oder Gott selber war. Im christlichen Kulturraum zeigt sich die tiefe religiöse Bedeutung von Brot im Alten Testament, in der Speisung der 5000 durch Jesus und – bis zum heutigen Tag – durch das Abendmahl.

(Bild: James Coleman)

Brot in Freud und Leid

Vor allem in Mitteleuropa beliebt sind spezielle Erntefest-, Liebes-, Hochzeitsbrote, Kindbett- oder Taufbrote, oft wahre Kunstwerke, die für Feiern und Feste in der Familie, im Freundeskreis oder in der Dorfgemeinschaft gebacken werden. Heiratslustige Mädchen beschenken ihre Verlobten am Andreastag (30. November) mit Gebildbroten, die «Andreasmännchen» heissen. Teigmännchen zum Nikolaustag sind in Belgien, Deutschland, Österreich und bei uns in der Schweiz verbreitet. Zum Gedenken an die Toten gibt es in Mexiko zu Allerseelen das «Pan de muertos», und in Afghanistan werden am islamischen Opferfest für die Toten auf den Friedhöfen Brotstückchen verteilt.

(Bild: Schweizer Brot)

Keine Weihnachten ohne Brot

Ein Weihnachtsbrot aus der Provence, kreuzweise mit Nüssen und einem früchtetragenden Ölzweig geschmückt, verrät Sehnsucht nach Sonne und Wachstum. Seit Jahrhunderten kommen in Deutschland der Dresdner Christstollen oder die Aachener Printen, in Italien der Panettone auf den Weihnachtstisch. Im Balkan und in Südamerika wird aus Brotkrume oder Salzteig Baumschmuck angefertigt. «Nachkommen» altgermanischer Sonnenlaufbrote sind in Deutschland und Skandinavien noch heute beliebt. Der Dreikönigskuchen reicht sogar bis in die römische Zeit zurück.

(Bild: Schweizer Brot)

Ein Evegreen seit 1390: der Dreikönigskuchen

Zu Ehren des Saatengottes Saturn wurde im alten Rom jeweils im Dezember ein ausgelassenes Dorffest gefeiert. Unter anderem wurden in einem Spiel (Eintags-) «Könige» erkürt, und es fand ein Essen statt, zu dem auch Arme eingeladen wurden. Später wurde diese Tradition mit nordischen Los-Bräuchen, bei denen Bohnen in Kuchen versteckt wurden, vermischt. Erst seit dem Mittelalter veränderte sich der Brauch durch die christliche Verehrung der Heiligen Drei Könige. In der Schweiz ist der Dreikönigstag seit 1390 verbürgt. Das Fest erlebte seinen Höhepunkt im 17. Jh. im Wallis und in Frankreich. Seither gilt der 6. Januar in verschiedenen Ländern als Freudentag für gekrönte und ungekrönte Häupter.

(Bild: Schweizer Brot)

Brot und Fasnacht

Viele Brotbräuche hängen in der Schweiz mit der Fasnacht zusammen: z.B. «Bäckermöhli» (Mütschli) in Zug oder «Löli»-Brot. In Einsiedeln verschenken am «Güdelizischtig» Bajazzos nach einem alten Ritual Brot. Am Gündelmontag zieht in Schwyz der «Blätz» umher, der auf einem Besenstiel Kopfbrot aufgespiesst hat. Die Brötchenvergabe an der Rapperswiler «Rathausteilet» erinnert an die Hungersnot im 14. Jahrhundert. Ähnlichen Ursprungs scheinen die Brotsegnungszeremonien im Wallis und im Tessin (Chandolin, Bagnes-Tal, Ferden, Riva San Vitale) zu sein.

Schutz gegen Feuer

Am 5. Februar, dem Tag der frühchristlichen Märtyrerin und Schutzpatronin Agatha, werden in der Innerschweiz in einigen Gemeinden die Agatha-Ringe gebacken und vom Pfarrer gesegnet. Wer sie nicht isst, hängt sie zum Schutz gegen Feuer in der Wohnung auf. Ein lebendig gebliebener Brauch ist im Lötschental die «Mitscha», ein Taufebrot mit Kreuz und Christusmonogramm, gespendet von Pate und Patin. In Erinnerung an den Zweiten Villmerger Krieg von 1712, bei dem die Frauen den Männern zu Hilfe eilten, gibt es im Aargau den «Maitli-Sunntig»-Ring: Er wird zum zweiten Sonntag des neuen Jahres gebacken – und die Frauen haben dann das Sagen!

(Bild: Bäckerei Chilestägli)