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Stabsübergabe an die dritte Generation

Mitte Juni fand bei Müller Beck in Schaffhausen die Stabsübergabe statt: Simon Müller übernahm in dritter Generation die operative Leitung von seinen Eltern. Die Bäckerei mit Café ist in der Bevölkerung bestens verankert. Der Jungunternehmer blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Wir haben gute Mitarbeitende, eine grosse treue Stammkundschaft und wir dürfen viele Menschen mit unseren Produkten glücklich machen.“

Claudia Vernocchi

Dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr. Seine Eltern Manuela Roost Müller und André Müller-Roost haben während 40 Jahren intensivem Engagement den fruchtbaren Boden geschaffen. „Wir haben viele Stammgäste. Ich kenne sie alle“, betonen alle drei mehrmals während dem Besuch von „Panissimo“ in Schaffhausen. Dass dies nicht leere Worthülsen sind, merkt man sofort: Praktisch jeder Kunde und jede Kundin, die den Laden und das Café betritt, wird mit Namen begrüsst, werden ein paar Worte gewechselt. Die Gastfreundschaft wird gepflegt und gelebt. „Unsere Ansprüche an unsere Produkte, unsere Mitarbeitenden und an uns selbst sind hoch“, stellt Manuela Roost Müller bestimmt fest. „Wir haben vieles richtig gemacht in Schaffhausen.“

Erfolg ist kein Selbstläufer

Simon Müller ist sich bewusst, dass dieser Erfolg kein Selbstläufer ist: „Die Qualität muss top sein, ebenso das Verkaufspersonal. Denn nur deshalb kommen die Leute zu uns.“ Bekannt ist Müller Beck auch für seine grosse Flexibilität und die hohe Dienstleistungsbereitschaft. Fehlen beispielsweise an einem Fest 50 Kilogramm Brot, so reicht ein Anruf bei Müller Beck und es werden alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, um die Produkte zu liefern. „Wir stehen für unsere Kundinnen und Kunden 24 Stunden im Einsatz. Das hebt uns von der Konkurrenz ab“, erklärt Simon Müller. Auf der Webseite von Müller Beck ist denn auch zu lesen: «Immer für unsere Kunden da. Alle Verkaufsgeschäfte sind sechs oder gar sieben Tage in der Woche geöffnet. Mit flexibler Personalplanung verzichten wir auf Betriebsferien. Wir liefern 365 Tage im Jahr.»

Bekenntnis zu Schweizer Rohstoffen

Die Kundschaft setze unterbewusst die Verarbeitung von Schweizer Mehl voraus, erklärt André Müller-Roost. «Diesen Anspruch übertrifft Müller Beck dank langjährigen Partnerschaften in der Region sogar.» Die Swissness im Unternehmen beschränke sich nicht auf den Rohstoff Mehl: Das Fleisch kommt vom lokalen Metzger, die Eier legen Hühner in der Region. «Wir wollten die Warenströme immer bewusst in der Region behalten», schildert Manuela Müller, «und die Rechnung geht auf, ohne dass wir mit unseren Partnerinnen und Partner je gross gefeilscht haben.» Letztes Jahr gab es sehr wenig Schaffhauser Honig, weshalb aktuell einige Produkte nicht im Sortiment sind. Honig von weiter her passe nicht in das Konzept, ergänzt Simon Müller. Durch diese konsequenten Partnerschaften mit dem lokalen Gewerbe entstehe zudem ein stabiles Vertrauen, was allen Beteiligten Sicherheit verschaffe. Dabei ist es vonnöten, dass dieses Engagement der Kundschaft beispielsweise mit dem Logo von Schweizer Brot vor Augen geführt wird.
Das Bewusstsein für Schweizer Rohstoffe sei mit Corona, dem Ukrainekrieg und der aktuellen Teuerung bei der Kundschaft nach und nach gestiegen, ergänzt André Müller. Besonders Personen, die Produkte mit Top-Qualität schätzen, lassen sich von der Auszeichnung Schweizer Brot begeistern. Zentral sei in diesem Blickwinkel, dass die Kundschaft nicht «veräppelt» werde. Die geschilderten Mehrwerte müssten nicht nur für die Kundinnen und Kunden fassbar gemacht, sondern auch über die Geschäftstätigkeiten hinaus vorgelebt werden. Dass diese Strategie aufgeht, deutet Manuela Roost Müller mit einem Augenzwinkern folgendermassen an: «Bei Müller Beck trifft man trotz dem regional verankerten Einkauftourismus auch Kundschaft aus Deutschland an, die gerne und üppig bei uns einkehrt.»

Schweizer Brot Kleber
Schweizer Brot Aufsteller

Vom Förster zum Bäcker

Dass Simon Müller einmal in die Fussstapfen seiner Eltern treten wird, war lange Zeit alles andere als klar. Im Gegenteil: Mit 14 Jahren verkündete er nämlich seinen Eltern, er werde den Bäcker-Beruf Beck nicht erlernen. Simon Müller entschied sich, eine Lehre als Forstwart zu machen. Zehn Jahre arbeitete er im Wald, wobei er regelmässig Einsätze im Betrieb seiner Eltern leistete. «Ich hatte bereits als Kind immer mitgeholfen, bei Lieferungen oder an Events. Das hat mir gefallen», meint der Schaffhauser Branchenmann rückblickend.

Ein eignes Catering-Unternehmen

Manuela Roost Müller erinnert sich gut an den entscheidenden Moment der Wendung. Mutter und Sohn waren skifahren, als Simon Müller ihr die Frage stellte: «Könnt ihr mich im Betrieb gebrauchen?» Er war in seinem bisherigen Berufsleben an einen Punkt gelangt, wo er kein persönliches Entwicklungspotenzial mehr sah. 2012 stieg Müller Junior in den elterlichen Betrieb ein und lernte diesen von der Pike auf kennen: Er arbeitete zuerst im Verkauf, dann machte er seine Erfahrungen in der Spedition, als Chauffeur und in der Produktion. 2014 schloss Simon Müller seine Lehre als Bäcker-Konditor EFZ ab. «Es war mir wichtig, Fachgespräche auf Augenhöhe führen zu können und nicht der zu sein, der einfach den Betrieb der Eltern übernahm», begründet er diesen Entscheid zur zusätzlichen Ausbildung.
Im Prüfungsjahr startete Simon Müller gleichzeitig mit seinem eigenen Unternehmen Fix & Fein. Er stellte nämlich fest, dass das Catering bei Müller Beck stiefmütterlich behandelt wurde. Acht Jahre lang war er auf den Rheinschiffen für die Gastronomie zuständig und leitete rund 30 Mitarbeitende. «Ich hatte meine eigene Firma. Mein Vater hat mir das Vertrauen geschenkt. Er hat mir freie Hand gelassen. In dieser Zeit haben wir uns viel ausgetauscht und ich habe einiges gelernt.» Dieses «Baby» mache zurzeit einen Zwischenschlaf, denn er wolle sich im Moment voll und ganz auf Müller Beck konzentrieren.
Die Aufgabe ist keine einfache. Seine Eltern haben sich die Geschäftsführung geteilt, jeder hatte seine eigenen Ressorts. «André und ich, wir haben ein brutal intensives Berufsleben geführt», erklärt Manuela Roost Müller. Bei Simon Müller ist dies anders. Er führt das Unternehmen alleine. Es gelte nun, so Simon Müller, eine Organisation mit den entsprechenden Strukturen zu schaffen. Auf jeden Fall will der Vater zweier Kinder den wöchentlichen Vatertag weiterführen. Dabei kann er immer noch auf die grosse Unterstützung seiner Eltern zählen. Seine Mutter arbeitet nach wie vor tageweise im Laden mit und leistet gleichzeitig auch Einsätze beim Hüten der beiden Enkel. «Sein grosser Vorteil ist, dass er die jüngeren wie auch die älteren Kundinnen und Kunden kennt, über das Geschäft, den Sport, die Pfadi», unterstreicht Manuela Roost Müller. «Wir sind gut verwurzelt.»

Simon Müller, Manuela Roost Müller und André Müller-Roost

Die Masterarbeit des Vaters

Ein grosses gemeinsames Projekt werden Vater und Sohn nächstes Jahr realisieren. Die Totalrenovation und Erweiterung der Produktionsstätte. Mit den Bauarbeiten soll nach Ostern gestartet werden und im November sollen sie beendet sein. «Das wird die Masterarbeit meines Vaters werden», meint Simon Müller mit einem Schmunzeln. Doch er weiss auch, dass André Müller nach 40 Jahren grossem Einsatz mit Leidenschaft den Schlüssel nicht einfach so abgeben kann, und das muss er auch nicht: «Er wird ein Leben lang in der Backstube willkommen sein, wie ich damals als Kind.»
Welchen Tipp haben Müllers an Mitglieder, denen eine Nachfolgeregelung bevorsteht? Die Übergabe müsse gut geplant sein und alles protokollarisch festgehalten werden, lautet der Ratschlag von André Müller. Unabhängig davon müsse die Altersvorsorge rechtzeitig geplant und geregelt werden. Zudem sei es wichtig, dass die finanzielle Belastung für den Nachfolger stemmbar ist, so dass er noch ruhig schlafen kann», hält er weiter fest. Er müsse sein Budget haben, müsse wissen, was auf ihn zukomme und wie er versichert sei. Denn: «Wenn du von einer Baustelle zur andern rennen musst, wirst du verbrennen und hast verloren.»
Was wird Simon Müller ändern? «Meine Eltern haben vieles richtig gemacht», stellt er fest. Da brauche es kein neues Logo. Nein, sein Anspruch an sich selbst sei, ebenso gut zu wirken wie seine Eltern. Wichtig ist ihm, dass der hohe Qualitätsstandard der Produkte erhalten bleibt, dass zum Personal Sorge getragen wird und dass das Handwerk gepflegt wird. Ja, und eventuell werde er das Sortiment etwas verkleinern, aber sich ganz klar nach dem Traditionellen richten.