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Aussaat von Winterweizen

Das Weizenjahr – Teil 2

Nach der Ernte ist vor der Ernte. Auch für Familie Grunder aus Oberneunforn TG, die nicht nur die Mühle Entenschiess betreibt, sondern auch gleich noch selbst Weizen anbaut. Winterweizen um genau zu sein.

Marlies Keck

Unsere Beitragsserie zum Weizenjahr:

Teil 1 — Zu Besuch bei Familie Grunder
Teil 2 — Aussaat von Winterweizen
Teil 3 — Kälteschock
Teil 4 — Hege & Pflege
Teil 5 — Die Ernte
Teil 6 — Vermahlen
Teil 7 — Mehlverkauf

Es ist ein sonniger Oktobertag und Bruno Grunder zieht mit dem Traktor seine Bahnen. Knapp 6 km/h – so schnell bzw. langsam kommt er vorwärts. «Mehr Tempo geht nicht» erklärt er lauthals, um das Knattern des Motors zu überstimmen. «Der Boden ist sehr trocken.» Für die Aussaat warte er noch auf etwas Regen. Bis dahin bereite er die Flächen schon mal vor. Am Traktor hängt deshalb ein 3-Schar-Pflug. «Komm, fahr mal eine Runde mit», ruft er mir zu und klappt den Notsitz im Traktor herunter. Meter für Meter schaukeln wir übers Feld. Bruno schaut abwechselnd nach vorn und hinten. Ein Blick über den Pflug beweist, es ist staubtrocken. Zuvor wuchs auf dieser Fläche Mais. Wer genau hinschaut, erkennt noch die Stoppeln. Nach zwei Bahnen auf dem Acker lässt er mich wieder aussteigen, denn an ein Gespräch ist nicht zu denken. Wir treffen uns später, beim Hof der Mühle Entenschiess.

Schar-Pflug
Traktor
«Der Boden ist das wertvollste Gut», sagt Bruno Grunder. «Da darf man nicht juflen!»

Vitales Bodenleben wichtig

Ganz gleich, ob Getreide, Raps, Mais, Kartoffeln oder Zuckerrüben: Vor der Aussaat oder dem Pflanzen dieser Kulturen steht immer die Bearbeitung des Bodens. «Als erstes bringe ich Kuhmist aus, organischer Dünger», erklärt Bruno sein Vorgehen. «Damit gelangen wertvolle Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Kalium in den Boden, die für das Pflanzenwachstum unerlässlich sind.» Dann folge das Pflügen, bei dem die Erde bis in eine Tiefe von 18 bis 20 Zentimetern messerartig unterschnitten und gewendet wird. «Das Wenden lockert und durchlüftet den Boden und sorgt dafür, dass Erntereste und Unkraut entfernt bzw. eingearbeitet werden.» Der sogenannte «reine Tisch» sei gerade bei der Vorkultur Mais wichtig. Denn: «Mais gilt als Wirtpflanze für Fusarien. Ein Pilz, der den Weizen krank macht und schädigt.»

Beim Pflügen
Als bewährtes und zuverlässiges Bodenbearbeitungsgerät schafft der Pflug einen «reinen Tisch».

Bodenerholung dank Fruchtfolge

Ohne Pflügen riskiere man eine direkte Übertragung der Sporen von nicht verrotteten Ernterückständen. Leider bringe die tiefe Bodenbearbeitung auch Nachteile mit sich. «Durch das Pflügen wird der kapillare Wasseraufstieg unterbrochen, weshalb genügend Zeit für das Setzen vom Boden eingeplant werden muss. Und es erfordert viel Diesel und PS.» Bei anderen Kulturen würde ein Grubber ausreichen, da dieser nicht so tief ins Erdreich eindringt. So oder so: Damit sich der Boden ‹nach der Arbeit› wieder erholen kann, braucht es die sogenannte Fruchtfolge. Das heisst, Familie Grunder baut auf jedem Feld Weizen, Mais und Wiese an. Im Wechsel, so dass sie stets sechs bis sieben Hektar Weizen haben. Apropos: Ist der Boden denn nach dem Pflügen bereit für die Aussaat des Weizens? «Nicht ganz, vorher kommt noch das Eggen.»

Beim Eggen
Mit der 3 Meter breiten Egge ist der Acker im Handumdrehen für die Saat bereit.

Sortenwahl und Wetterglück

Beim sogenannten «Eggen» wird der grob gepflügte Boden für die Aussaat verfeinert. Da Weizen nicht so grosse Ansprüche an das Saatbett stellt, braucht man den Boden aber nicht zerpulvern. Das heisst, eine Bodenstruktur von der Grösse eines Fünflibers reicht aus. «Hat man das erledigt, ist der Boden bereit für die Aussaat» so Bruno. Drei Sorten sind es dieses Jahr – Nara, Piznair und Bonavau. Eine gute Wahl? «Wir denken schon, schliesslich sind alle drei auf der Empfehlungsliste von Swiss Granum – und zwar in der Qualitätsklasse TOP» erklärt er. Da habe vor allem Tochter Sabrina ein Auge drauf, da sie als Müllerin natürlich die gute Backeigenschaft des Mehls in den Vordergrund stellt. «Für mich ist das Wetter viel entscheidender. Ein Hagelzug oder eine lange Regenperiode und schon ist die ganze Arbeit futsch» sagt er. «Darum schaue ich bei der Sortenwahl auch noch auf andere Kriterien, wie etwa Krankheitsresistenz, Pflanzenlänge und Standfestigkeit. «Bisher konnten wir uns immer einigen», meint er verschmitzt.

Weizensorten
Weizenkörner Piznair, Nara und Bonavau
Getreidesorten für die Ernte 2024: Nara, Piznair und Bonavau – alle mit Qualitätsklasse TOP nach Swiss Granum.

Aussaat: Auch eine Frage des Timings

Familie Grunder bestellt ihr Saatgut – jeweils 200 Kilo pro Hektar – bereits im August. «So können wir den Zeitpunkt der Aussaat flexibel bestimmen und loslegen, wenn es vom Wetter her passt» so Bruno. Weizen lasse sich zwar bei fast allen Bedingungen aussäen, aber: «Auf nassen Matsch verzichte ich gern», grinst er. Zudem bringe der im Oktober ausgesäte Weizen erfahrungsgemäss am meisten Ertrag. «Und wer früh sät, der erntet auch früh.» Das sei vom Kopf her nicht zu unterschätzen. «Man wird leicht nervös, wenn überall sonst schon Mähdrescher zu sehen sind, man selbst aber noch zuwarten muss.» Und wie sieht es mit der Saatmenge aus? «Das Tausendkorngewicht kann je nach Sorte und Jahr stark variieren. Im Schnitt brauchen wir 1,8 Kilo pro Are.» Und wie kommt das Saatgut nun in die Erde? «Die Sämaschine ist mit sogenannten Scheibenscharen ausgestattet, die den Boden leicht aufpflügen. Dadurch entstehen kleine Furchen, in die das Saatgut im Abstand von 12 cm abgelegt wird. Anschliessend wird die Furche von einem Striegel, der hinter den Scheibenscharen montiert ist, wieder verschlossen.» Und das läuft alles reibungslos? «Naja, meistens. Es kommt durchaus vor, dass wir Landwirte absteigen, buddeln und kontrollieren, ob die Samen auch wirklich schön im Boden sind. Ein Fehler lässt sich kaum korrigieren, ist mit den Pflänzchen dann für alle sichtbar – und das spöttische Necken der Berufskollegen ist nicht weit.»

Beim Säen
Während die Routine beim Pflügen es zulässt, seinen Gedanken nachzugehen, ist beim Säen Konzentration gefragt. Denn von der korrekten Aussaat hängt viel ab.

Säen – und nicht zweifeln

Nach der Aussaat heisst es dann, Geduld haben. Je nach Wetter und Keimdauer dauert es zirka zwei Wochen, bis die zarten Keimlinge an der Erdoberfläche zu sehen sind. «Gerade in dieser Zeit erinnere ich mich dann gerne an das Sprichwort: ‹Säe und zweifle nicht›.» Das sei aber einfacher gesagt als getan. Vor allem dann, wenn das Wetter verrücktspiele. «Aber naja – was soll ich sagen: Ändern kann ich es sowieso nicht. Also versuche ich, gelassen zu bleiben und darauf zu vertrauen, dass es auch im nächsten Jahr eine gute Ernte geben wird.»

Nächster Besuch: Kälteschock

Ohne Kälte kein Ertrag – das ist die simple Formel beim Winterweizen. Der Fachmann spricht von Vernalisation. Das heisst, eine gewisse Zeit lang müssen sehr niedrige Temperaturen auf die Pflanze einwirken, damit diese stimuliert wird, im nächsten Jahr Blüten und Samen, also Getreidekörner, zu bilden. Teil 3 unserer Beitragsserie widmet sich also dem sogenannten Kälteschock, d.h. der Phase, in der die Temperatur über einen bestimmten Zeitraum eine gewisse Höhe nicht überschreiten darf. Was Bruno, Maya und Sabrina in dieser Zeit tun? Hier nachzulesen.