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Brotinspirationen für Restaurants

Wie Spitzenköche das Brot zelebrieren

Innovative Gastronomen und Gastronominnen zeigen, was man mit Brot auch machen kann: die Gäste begeistern.

Wolfgang Fassbender

Es könnte alles so schön sein mit dem Brot in der Gastronomie. Erstklassiges Backwerk, zufriedene Kunden. Solche, die nach dem Essen noch lange daran denken, welche Mühe sich das betreffende Restaurant auch bei den Kleinigkeiten gibt. Doch de facto wird kaum einem Teil des gastronomischen Gesamtpaketes so wenig Aufmerksamkeit geschenkt wie der Mischung aus Mehl, Wasser, Salz, Hefe oder Sauerteig. Ein paar trockene Scheiben im Korb, beim erstbesten Bäcker eingekauft, gern auch mal vom Morgen bis zum Abend vorrätig gehalten. Eine Pflichtaufgabe, wie die Verabreichung von Servietten, Gabeln und Messern.

Was wollen die Gäste, entgegnen viele Gastronomen, wenn man sie auf die nicht selten unbefriedigende Situation anspricht. Der Kunde solle doch froh sein, wenn er überhaupt etwas gratis bekomme. Sei das Brot zu lecker, ässen die Menschen eh viel davon, bestellten weniger Gänge als erhofft, führten das Restaurant so in die roten Zahlen. Doch diese Einstellung entspricht, wenn überhaupt, nur zu einem kleinen Teil der Wahrheit. Es erwartet ja keiner, dass dem Kunden schon im Moment nach dem Einnehmen des Platzes eine üppige Auswahl an Broten auf den Tisch gestellt wird, inklusive Butter, Öl und vielleicht noch ein paar Amuse-bouches. Auf dass sich jeder, der nur einen Snack bestellen will, gratis den Magen vollstopfe!

Foto: City Foodsters / Flickr, CC BY 2.0

Ideen sind gefragt, aber über Vielfalt kann man streiten

Doch ein bisschen mehr Mühe kann sich lohnen, um den Gast vom guten Willen und dem Qualitätsbewusstsein des Wirtes zu überzeugen. Brot muss nicht beim Grossverteiler eingekauft werden, sondern lässt sich auch bei der am sorgfältigsten arbeitenden Bäckerei am Ort erwerben. Täglich natürlich, am besten vor dem Mittags- und vor dem Abendservice und bitte mit einer gewissen saisonalen Abwechslung. Den Namen des Bäckers zu nennen, ist eine gute Idee, schliesslich nennt der womöglich im Gegenzug den Namen der Beiz, in der sein Backwerk serviert wird. Mehr als zwei abgezählte dünne Scheiben sollten pro Gast schon gereicht werden, aber eine Vielfalt aus sieben Sorten ist auch in einem Restaurant unnötig, das nach Punkten und Sternen strebt oder diese verteidigen will. «Der Trend geht eher dahin, weniger zu machen», sagt Andy Vorbusch, Chefpatissier im neuen Restaurant «Memories» im «Quellenhof Bad Ragaz». Es müssen auch nicht lauter kleine, schnell austrocknende Brötchen sein, wenn Scheiben vom grossen Laib zur Verfügung stehen. Eine einzige Sorte kann genügen, muss aber begeistern. Tut sie im «Memories». Monatelang haben Vorbusch und Team an der Qualität gearbeitet, haben Sauerteig um Sauerteig angesetzt, mit unterschiedlichen Mehlen und der Dauer der Teigführungen – heute 18 Stunden! – experimentiert. Das «Silver» in Vals setzt stattdessen auf ein mit Kartoffeln gebackenes Brot, das effektvoll mit gebackenen und zu knuspernden Kartoffelschalen serviert wird. Und Andreas Caminada («Schloss Schauenstein») hat inzwischen sogar eine eigene Bäckerei eröffnet.

Das geht besser! (Bild: Paul Istoan / Flickr CC BY-NC 2.0)

Der persönliche Service macht den Unterschied – und die Temperatur

Apropos Effekte. Wer das Brot mit Erklärungen reicht, wer es selbst am Tisch vorstellt und vom Laib schneidet, schafft ein Zusatzerlebnis. Andy Vorbusch und seine Kollegen tun es im «Memories», erläutern die Philosophie, haben bis heute nur positive Reaktionen erfahren. «Manche Gäste fragen auch, ob sie das Brot für zu Hause kaufen können», sagt Vorbusch. Machen auch bisweilen Gäste im «Steirereck» in Wien. Das doppelt besternte Restaurant setzt allerdings auf Opulenz, hat auf den vorfahrenden Wagen rund 30 Sorten drapiert, vom Blutwurstbrot bis zum dunklen Malzbrot. Nicht alles ist selbstgebacken – aber das verlangt auch keiner. Top-Bäcker verstehen ja eh mehr vom Brot als die meisten Köche. Andererseits wäre es keine Zauberei, ad hoc Hefebrot im Blumentopf zu backen und dampfend heiss auf den Tisch zu stellen. Allein der Duft! Im «Le Gourmet» in Heidelberg kommt das Brot übrigens nicht ganz am Anfang, sondern erst im Anschluss an die ersten Appetithappen als eigener Gang, warm mit geeisten Butterröllchen obenauf. Wetten, dass mindestens die Hälfte der Gäste noch am nächsten Morgen an diesen Temperaturkontrast denkt? Wer noch mehr nachhelfen will: Im «Intense» in der deutschen Pfalz bekommen die Kunden zwar zum Menü kein Brot, aber mit der Rechnung selbiges zum Aufbacken am nächsten Morgen. Bessere Werbung fürs eigene Restaurant kann man kaum machen.