Auf Entdeckungreise rund um Genf und Lausanne
Das Bassin Lémanique widerspiegelt die Dichte seiner Bevölkerung in der Vielfalt seiner Brote. Tauchen Sie ein in eine der meist bevölkerten Regionen der Schweiz und erfahren Sie bemerkenswerte Unterschiede zwischen Deutsch- und Westschweizer Spezialitäten. Dabei beantworten wir auch die Frage, ob es einen «Brötligraben» gibt.
Rund um den Genfersee herrschen regionale Brotsorten-Vorlieben. Vom traditionellen «Pain vaudois à la croix» – das zweifelsfrei als ältestes, waadtländisches Brot gilt – bis hin zum eher jungen, 1993 vom Genfer Bäcker Aimé Pouly kreierten «Pain Paillasse». Die Romands rund um das Seebecken lieben ihre Brote. Am meisten das aus ihrer Region, welches zum Beispiel aus einer lokalen Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Bäcker entsteht, wie die Spezialität «Le Glâneur». Die Romands zelebrieren das Essen und Brot gehört im Bassin Lémanique zum Kulturgut, welches ein wichtiger Bestandteil vieler Mahlzeiten ist.
Doch worin liegen die Unterschiede zur Deutschschweiz? Was charakterisiert die Brote dieser Region? Und gibt es einen «Brötligraben»?
West und Ost im Vergleich
Beginnen wir mit der einfachen Frage: Gibt es Unterschiede? Oh ja, davon gibt es zahlreiche. In der Romandie – wie auch im Tessin – werden die helleren Brote (Weiss- und Halbweissbrote) bevorzugt, während in der Deutschschweiz eher die dunkleren, rustikalen Sorten auf den Teller kommen (Quelle: Pistor Aroma Magazin, Ausgabe 02/2017). Das lässt sich leicht erklären; so enthält die Westschweiz viele Elemente der französischen Küche, wo das Baguette und Croissants den Ton angeben. Daher bestehen Westschweizer Brote üblicherweise aus hellem Mehl, sind volumenbetont und schmecken weich, ausgeglichen und graziös. Das Deutschschweizer Sortiment hingegen umfasst häufig auch Brote aus alten Getreidearten wie UrDinkel oder es wird mit Nüssen, Kernen und Früchten experimentiert.
Kommen wir zu den Mahlzeiten: Luftige Frühstücks-Gipfeli werden auf dem Weg von Ost nach West schwerer und buttriger (Quelle: alimenta Magazin, Ausgabe 03/2017). Und auffallend ist auch, dass Laugengebäcke in der Westschweiz wenig populär sind (Quelle: https://www.beobachter.ch). Unser Nationalgericht, das Käsefondue, ist in den verschiedenen Sprachregionen gleichermassen populär. Obwohl das Fondue keine kulinarische Spaltung darstellt, sieht es beim Fonduebrot anders aus: In der Romandie wird dieses nicht wie in der Deutschschweiz in Würfel geschnitten, sondern kommt in Scheiben auf den Tisch. Jeder reisst dann sein Brot in mundgerechte Stücke, bevor er es in den Käse dunkt.
Deutsch- und Westschweizer/innen unterscheiden sich aber oft nicht in dem, was sie essen, sondern wie sie es essen. Eine Kundenbefragung zum Kauf- und Konsumverhalten sowie zur Wahrnehmung von Schweizer Brot ergab folgendes: Die Hauptmahlzeiten werden in der Deutsch- und Westschweiz meistens täglich, ein Znüni oder Zvieri meistens nur einige Male pro Woche eingenommen. In der Deutschschweiz essen 73 % täglich oder mehrmals pro Woche ein Zmorge, 71 % ein Zmittag, 80 % ein Znacht und 46 % eine Zwischenmahlzeit. In der Romandie sind es 77 %, 73 %, 79 % und 36 %. Wir sehen also, dass die Romands damit häufiger ein zMorge, aber weniger oft eine Zwischenmahlzeit (Znüni, Zvieri) einnehmen als die Deutschschweizer/innen.
Winzerpaar Nadine und Cédric Besson, Quelle: https://www.wein.ch
Die Weinbauern Nadine und Cédric Besson kennen die Unterschiede zwischen der Deutsch- und Westschweiz ziemlich gut. Cédric Besson ist im Welschland aufgewachsen und Nadine Besson hat als erste Deutschschweizerin ihre Berufsausbildung komplett im Welschland durchlaufen. Zurück in der Deuschschweiz, führen die beiden seit 2009 den biodynamischen Familienbetrieb (Demeter) in Laufen-Uhwiesen am Rheinfall. Nadine Besson erklärt: «Aus meiner Sicht hat Brot in der Westschweiz einen sehr hohen Stellenwert. Ich habe beobachtet, dass es sogar im kleinsten Dorf immer eine Bäckerei gibt – sein Brot im Supermarkt zu holen gehört sich nicht!». Nadine Besson erzählt zudem, dass bei Weindegustationen oft Flûtes, ein salziges Blätterteiggebäck, angeboten werden. «Ein Winzer, der etwas auf sich hält, besorgt die Flûtes ebenfalls beim Bäcker und nicht im Detailhandel.» In der Deutschschweiz gehört geschnittenes Weiss- oder Ruchbrot aus der Region zur Weindegustation, um den Geschmack zu neutralisieren und den Gaumen so auf den nächsten Wein vorzubereiten.
Der Brötligraben
Es gibt sie also, die unterschiedlichen Vorlieben und Verhaltensweisen. Folglich ist es nicht gewagt, vom «Brötligraben» zu sprechen. Doch genau diese kleinen Unterschiede zwischen Deutschschweizern und Romands machen auch beim Brot das gewisse Etwas aus – dank dieser Diversität ist die Brotkultur der Schweiz noch vielseitiger. Und auch wenn es die Romands im Konsum etwas gelassener angehen (und oft auch bis zu später Stunde gerne sitzen bleiben), gleichen sie den Deutschschweizer weit mehr, als sie gemeinhin wahrhaben wollen. Denn egal ob östlich oder westlich vom Brötligraben: Die Schweizer lieben ihr Brot (Quelle: https://www.nzz.ch).