Low Carb, Eiweissdiät oder ketogene Ernährung? Die Hypes der Diät-Industrie ändern sich ständig. Auch sind in Supermärkten immer mehr glutenfreie Produkte zu finden. Das verunsichert, gerade Brotliebhaber*innen. Ist Brot «verboten»? «Nein» sagt Barbara Steffen, Diätköchin und Ernährungs-Psychologische Beraterin IKP. Warum Brot in einer ausgewogenen Ernährung Platz haben sollte und wie der optimale Teller aussieht.
Brot als Teil der ausgewogenen Ernährung
Im grossen Ernährungs-Dschungel unserer Zeit fällt es manchmal schwer, den Überblick zu behalten. Was ist denn nun gesund? In welchen Mengen sollte ich was essen? Und was heisst ‘ausgewogen’ genau? Für Barbara Steffen, Diätköchin und Ernährungs-Psychologische Beraterin IKP ist klar: «Eine ausgewogene Ernährung ist abwechslungsreich, vielfältig und bunt. Das heisst, sie bedient sich der gesamten Palette an Lebensmitteln, schliesst nichts aus und sorgt so dafür, dass unser Körper all die Nährstoffe erhält, die er braucht, um gesund und fit zu bleiben.» Dabei spiele nicht nur das Was eine Rolle, sondern auch das Wieviel. «Dank der Lebensmittelpyramide der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) lässt sich das auf einen Blick erkennen. Je breiter eine Etage, desto häufiger und grosszügiger sollten wir diese Lebensmittel im täglichen Speiseplan integrieren; jene an der Spitze hingegen seltener, mit Bedacht.»

Ungefähr in der Mitte: die Kohlenhydrate. Machen die nicht dick? Barbara Steffen sagt: «Es ist eine der hartnäckigsten Behauptungen, dass Kohlenhydrate wie Getreide, Brot, Reis oder Nudeln dick machen. Dabei sind sie für eine ausgewogene Ernährung unentbehrlich. Schliesslich sorgen sie für eine optimale Verdauung – vorausgesetzt, man hat keine Erkrankung oder Unverträglichkeit. Kohlenhydrate beugen Verstopfung vor, senken den Cholesterinspiegel und sind u.a. für den Eiweiss- und Fettstoffwechsel verantwortlich. Auch unser Hirn ist auf täglich 50g Kohlenhydrate angewiesen.» Steffen rät dazu, auf Kohlenhydrate aus Vollkorn zu setzen, denn diese enthalten mehr Nahrungsfasern, Vitamine und Mineralstoffe – und halten erst noch länger satt. Bleibt die Frage, warum es so viele Low-Carb-Diäten gibt. «Leider hat sich Übergewicht zu einer Volkskrankheit entwickelt. Eine allgemeingültige Lösung gibt es aber nicht. Wenn jemand mit einer Methode gut fährt, kann sie trotzdem für jemand anderen komplett falsch sein. Jeder Stoffwechsel ist unterschiedlich – und Übergewicht oft eine Frage der Menge. Übrigens helfen auch glutenfreie Produkte nicht beim Abnehmen. Im Gegenteil. Oft ist in diesen Produkten viel Mais-, Reis- oder Kartoffelstärke enthalten. Wer gesund ist, sollte also nicht vollständig auf Gluten verzichten: Es bringt keine Vorteile.» Besser sei es, überwiegend auf Weissmehlprodukte zu verzichten.
Ein Hoch auf das Brot
Tatsache ist: Der Energiebedarf ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Je nach Grösse, Alter, Geschlecht und der körperlichen Aktivität ist dies bei der Portionengrösse zu berücksichtigen. Grund-sätzlich gilt, dass die Mengen der Lebensmittelpyramide pro empfohlene Portion stets gleichbleiben. Einzige Ausnahme bilden die Kohlenhydrate. Hier empfiehlt das SGE eine Spannbreite pro Portion: Bei Brot entspricht diese 75g bis 125g. «Orientiert man sich bei den drei Kohlenhydratportionen pro Tag an der kleineren (75g) Mengenangabe, konsumiert man insgesamt rund 1800 kcal, während man bei der grösseren Portion (125g) rund 2500 kcal aufnimmt» so Steffen.


Wer bei seinen Kohlenhydratportionen auf Brot setzt, gewinnt gleich mehrfach. Steffen rechnet vor: «100g Vollkornbrot enthält 6,6g Nahrungsfasern. Das heisst, bei drei Brotmahlzeiten pro Tag à 100g Vollkornbrot sind 20g von empfohlenen 30g Nahrungsfasern bereits abgedeckt. Mit zusätzlichen zwei Früchteportionen und drei Portionen Gemüse, wie es die Lebensmittelpyramide vorschlägt, kann die empfohlene Nahrungsfasermenge von 30g ganz einfach erreicht werden. Ein Kinderspiel mit Schweizer Brot. Schliesslich haben wir nicht nur ein überaus vielfältiges Brotsortiment. Man kann es auch zu jeder Mahlzeit kombinieren – pur, geröstet, überbacken oder im Sandwich. Dazu kommt, dass mit Vollkornbrot das Sättigungsgefühl länger anhält, der Blutzuckerspiegel ausgeglichen bleibt und somit keine Heisshungerattacken entstehen.»
Der Trick mit dem Teller
Wer sich ausgewogen und abwechslungsreich ernähren möchte, sollte zu jeder Mahlzeit Früchte oder Gemüse, Proteine und Stärkebeilagen essen. «Die Umsetzung ist gar nicht so einfach» gibt Barbara Steffen zu. «Wem die Pyramide zu abstrakt ist, der sollte sich das Tellermodell anschauen. Dort wird deutlich, wie eine ausgewogene Mahlzeit auf einem Teller aussieht: Fast die Hälfte nehmen Gemüse oder Früchte ein, rund 2/5 des Tellers sind Kohlenhydrate wie Reis, Kartoffeln, Brot oder Hülsenfrüchte. Nur auf einer kleinen Ecke des Tellers liegen proteinreiche Lebensmittel wie Milchprodukte, Fisch, Käse, Eier oder Fleisch.»

Zum Mittag- oder Abendessen ist uns die Zusammenstellung des idealen Tellers vielleicht nicht so fremd. Was ist aber bei einem klassischen Frühstück mit Konfi-Brot und Milchkaffe? «Auch hier lässt sich der ausgewogene Teller umsetzen» so Steffen. «Mit der Milch hat man schon mal ein bisschen Proteine, das Brot ist das stärkehaltige Lebensmittel. Nun braucht es noch eine Frucht – am besten saisonal wechselnd – um auch den Früchte-/Gemüseanteil abzudecken.»


Wie sieht das bei Mahlzeiten wie Pizza oder Lasagne aus? «Auch hier kann man die Mengenverhältnissen des Tellermodells anwenden. Bei der Pizza bringt der Teig die Kohlenhydrate, die Tomatensauce den Gemüseanteil und der Mozzarella die Proteine.» Natürlich sollte der Teiganteil nicht zu gross und der Gemüseanteil dagegen reichlich bemessen sein. «Ist dies nicht der Fall, lässt sich die Pizza ja auch mit zusätzlichem Gemüse belegen oder mit einem Salat ergänzen.» Wie das Tellermodell mit Brot als Kohlenhydratbeilage aussehen kann, zeigt Barbara Steffen anhand folgender Beispiele:


Schnell, einfach und praktisch: das Sandwich
Wer mittags wenig Zeit hat, steuert schnell eine Take-away-Station an. Ausgewogen ist das schnelle Essen am Imbissstand leider selten. Beim Sandwich sieht das – je nach Belag und Kombination – anders aus. Die Tipps von Barbara Steffen: «Idealerweise besteht das Sandwich aus einem Vollkorn-, Dinkel-, Graham- oder Roggenbrot, da diese Sorten länger sättigen. Dann ist es dünn mit Butter oder Frischkäse bestrichen und mit Salat, Kräutern, Sprossen oder Gemüse belegt. Als Proteinbeilage eignet sich fettarmes Fleisch wie Bündnerfleisch, Trutenbrust, Pouletfleisch oder mageren Schinken. Beim Käse achtet man am besten auf fettreduzierten Frischkäse oder Viertel- sowie Halbfettkäse. Aber auch ein gekochtes Ei, Quark oder Nature-Joghurt sind gute Eiweissbeilagen. Das Sandwich bietet ein ganzes Universum an möglichen Kombinationen. Um das Mittagessen aber noch ausgewogener zu gestalten, ergänzt man sein Sandwich am besten mit einem Salat und saisonalen Früchten.»


Schmackhaft mit Biss: Crustades
Ein Crustades – zwei gegrillte Brotscheiben mit buntem Gemüse und Mozzarella dazwischen – ist ein etwas anderes Sandwich. «Es hat viel Biss und schöne Röstaromen» schwärmt Barbara Steffen. «Einfach Rüebli, Zucchetti, Peperoni in Stücke schneiden, mit Öl, Salz und Pfeffer mischen und beidseitig rösten oder grillieren – genauso wie die Brotscheiben. Diese mit Rucola belegen, das Gemüse mit Mozzarella mischen und darauf anrichten. Die zweite Brotscheibe on top und fertig ist die ausgewogene Mahlzeit mit Brot.» Wer mag, könne das Gemüse mit Pilzen ergänzen und statt Rucola auch Nüsslisalat verwenden. Und für die vegane Variante empfiehlt Barbara Steffen, den Mozzarella durch Quorn zu ersetzen und ihn mit dem Gemüse zu braten. Apropos vegan: «Wer ganz auf Nahrungsmittel tierischer Herkunft verzichtet, muss auf die ausreichende Zufuhr der Vitamine B12 und B2, der Mineralstoffe Calcium, Eisen und Zink sowie der Omega3-Fettsäuren achten» so Steffen.


Gute-Laune-Essen: Fotzelschnitte pikant
Brotliebhaber*innen wissen: Altes Brot wirft man nicht weg – und die Fotzelschnitte ist der beste Weg, um Brotreste zu verwerten. Doch mit dem Duft nach Zucker und Zimt hat die Umsetzung von Barbara Steffen nichts zu tun – sie setzt auf pikant! «Meine Fotzelschnitte eignet sich auch zur Resteverwertung von Gemüse. Entsprechend ist sie bunt – mit Rüebli, Tomaten, Zucchetti, Zwiebeln und Peperoni. Für den besonderen Kick ergänze ich das kleingeschnittene Gemüse mit ein paar getrockneten Aprikosen. Mit Öl, Essig, Salz und Pfeffer vermengt, lasse ich die Gemüse-Aprikosen-Mischung nun rund eine Stunde zu einer Art «Gemüse-Salsa» ziehen.» Danach widmet sie sich dem Brot. Zunächst Eier und Milch gut verrühren und eine Prise Salz, Pfeffer, Muskat und Paprika dazugeben. Dann das Brot in der Milch-Ei-Mischung wenden und auf jeder Seite ca. drei Minuten braten. «Mit Salsa und Feta angerichtet, präsentiert sich die Fotzelschnitte als ausgewogener Teller, der auch noch Food Waste vermeidet.»


Gefülltes Glück: Fladenbrot mit Pfiff
Um unserem Körper genügend Energie zu liefern, sind Kohlenhydrate als Ballaststoff- und Vitaminträger unabdingbar. Entsprechend sind Vollkornprodukte aufgrund der höheren Menge an Nahrungsfasern, Vitaminen und Mineralstoffen zu bevorzugen. Ein ausgewogener Teller funktioniert aber auch mit Weissbrot. «Wie wäre es mit einem Fladenbrot, gefüllt mit Pouletstreifen, Joghurtknoblauchsauce, buntem Salat und Saisongemüse, bestreut mit Leinsamen und gerösteten Sonnenblumenkernen?», fragt Barbara Steffen lächelnd. «Ergänzt mit einem Apfel deckt mein Rezept rund 15.3% der täglich empfohlenen Nahrungsfasermenge ab.» Und das Wichtigste dabei: Dieses Essen ist nicht nur gesund und ausgewogen – das genussvolle Reinbeissen ist pures Glück.


Zum Rezept © Verein Schweizer Brot
Schweizerische Gesellschaft für Ernährung
Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE ist das nationale Kompetenzzentrum für Ernährung. Ihre Aktivitäten sind im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung angesiedelt. Die Kernkompetenz der SGE liegt in der Wissensbeschaffung, Erarbeitung und adressaten-gerechten Kommunikation wissenschaftlicher Grundlagen zu spezifischen Ernährungsthemen sowie in deren praxisrelevanten Aufbereitung – wie beispielsweise die Lebensmittelpyramide und das Tellermodell.


Die gelernte Köchin Barbara Steffen hat eine Zusatzausbildung zur Diätköchin absolviert und danach das Studium zur Ernährungs-Psychologischen Beraterin IKP abgeschlossen. Ihr Wissen zum Thema Zöliakie «glutenfrei kochen und geniessen» gibt sie in regelmässigen Schulungen an Hotels und Restaurants weiter. Auch wenn sie selbst nicht an Zöliakie leidet, lebt sie ihre Koch- und Backleidenschaft in ihrem eigenen Lädeli mit Café «Glutenfrei Geniessen» in Hünibach aus.