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Die feinste (L)augenweide

Tipps vom Brotsommelier Samuel Steiner

Als Silserli, Bretzel oder Baguette: Das salzige Gebäck erfreut sich immer grösserer Beliebtheit. Die Kombinationen sind vielseitig und gehen über das klassische Sandwich hinaus. Die Tipps von Brotsommelier Samuel Steiner.

Marlies Keck

Tipps vom Brotsommelier Samuel Steiner

Als Brotsommelier, Bäcker- und Konditormeister hat Samuel Steiner mehr als eine feine Nase. Er besitzt sensorische Fähigkeiten, die ihn minimale Geschmacksnuancen in Brot und Gebäck erkennen lassen. Dies führt immer mal wieder zu neuen Kreationen in seiner Bäckerei Zulauf in Roggwil – aber auch zu genussvollen Empfehlungen, was Food Pairing betrifft. «Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wer aber neuen Geschmackserlebnissen offen gegenübersteht und seinen Gaumen überraschen will, soll die wildesten Kombinationen ausprobieren» sagt Steiner. «Das Schöne ist, dass es kein Richtig oder Falsch gibt. Erlaubt ist, was schmeckt. Oft braucht es nur zwei, drei Produkte – in hoher Qualität – die verblüffend harmonieren.» Simpel, aber gut. «Ich bin überzeugt, dass so auch die Wertschätzung gegenüber Brot, den Lebensmitteln allgemein und unserer Profession gegenüber steigt.»

Samuel Steiner beim Backen
Sieht sich als Genussbotschafter und sorgt so für mehr Wertschätzung gegenüber Brot und Backwaren: Samuel Steiner. © Bäckerei Zulauf

Laugenbrot: Optisch wie geschmacklich unverwechselbar

Für Samuel Steiner isst auch das Auge mit. So sei gerade auch das pure Laugengebäck optisch wie geschmacklich ein Highlight. «Es gibt wohl kein fotogeneres Gebäck als das Silserbrötli» meint Steiner. «Dafür sorgen insbesondere seine haselnussbraune Kruste und die crème-weissen Schnittstellen.» Und der Geschmack? «Aufgrund der Natronlauge, in die das Gebäck vor dem Backen eingetaucht wird, schmeckt das Silserli wie kein anderes Brot: salzig, leicht caramelig-malzig – charakteristisch stark.» Traditionell komme Grobsalz als Topping auf das Gebäck. Als Variation könne man es aber auch mit Sesam, Mohn, Sonnenblumen- oder Kürbiskerne versehen. «Oder man gratiniert es stattdessen mit geriebenem Käse – ein Gedicht.» Entsprechend ist bereits das Laugengebäck für sich überaus vielseitig. Sei es mit oder ohne Topping, als Knoten, Zöpfchen, Brötchen, Brezel, Stange oder Croissant.

Laugenbrote
In der Deutschschweiz wird Laugengebäck gerne auch als Silserli, Silserbrot oder Silsergipfel bezeichnet, vermutlich abgeleitet von «Salse», also der Natronlauge, in die das Gebäck vor dem Backen eingetaucht wird (lat. Sal = Salz). ©shutterstock.com

Was das Herz begehrt: Der «Geschmacks-Allrounder»

Für Samuel Steiner ist klar: Wer Lebensmittel kombiniert, kreiert einen besonderen Genussmoment. «Beim Laugengebäck liegt aufgrund der salzigen Note die herzhafte Küche sehr nahe. Tatsächlich verwenden wir für unsere Laugen-Sandwiches gerne würzigen Schinken, gepfefferte Salami oder kräftigen Käse wie beispielsweise einem Rotschimmelkäse. Hier ist nämlich der Umami-Anteil höher – ein ausgeprägter, vollmundiger Geschmack.» so Steiner. «Je nach Kombination verzichten wir dann bewusst auf die Garnitur mit Tomate, Gurke und Salatblatt. Denn nur so kommen die hochwertigen Hauptzutaten richtig zur Geltung.» Sandwiches seien aber nur eine Möglichkeit des Food Pairings mit Brot. «Wer sich mal eine «bayrische Brotzeit» gönnen will, sollte seine Laugenbrezel mal mit einem «Obatzter» probieren – ein pikanter Käse-Dip aus Camembert, Brie oder anderen Weichkäsen.» Wer es lieber mediterran mag, dem sei ein Antipasti-Teller mit Silserli, gefüllten Oliven, eingelegten Auberginen und Zucchetti empfohlen. Für die orientalische Note lässt sich das Laugengebäck ideal mit Humus, Baba Ganoush oder einem Relish kombinieren. «Fischliebhabern empfehle ich, das Laugengipfeli mit Meerrettichschaum und geräuchertem Lachs zu befüllen. Und wer Freude an geschmacklichen Gegenspielern hat, geht ganz einfach mit süssen Zutaten ans Werk. Denn auch die süss-salzige Variante mit einem Konfitüre-, Honig- oder Chutney-Belag kann sehr reizvoll sein.» Im Grunde sind den kulinarischen Möglichkeiten kaum Grenzen gesetzt. Getreu nach dem Motto: «Probieren geht über studieren!»

Laugenbrezel
Die Ideen von Samuel Steiner sind eine Versuchung wert. Seine Lieblingskombination: Obatzter mit Laugenbrezel. ©shutterstock.com

Die Erfindung des Laugengebäcks

Über die Entstehungsgeschichte des Laugengebäcks sind verschiedene Legenden im Umlauf. Eine davon erzählt vom schwäbischen Bäckermeister Frieder. Ihm soll 1477 beim Backen die Katze aufs Backblech gesprungen sein, sodass sämtliche Teigstücke in eine Schüssel voll heisser Lauge fielen. In Bayern dagegen kursiert eine andere Geschichte. Sie spielt 1839 in einem königlichen Kaffeehaus in München und erzählt von Bäcker Anton Nepomuk Pfannenbrenner, der seine Brezeln normalerweise mit Zuckerwasser glasierte. Eines Tages soll er, ohne es zu bemerken, aus Versehen nach der Natronlauge gegriffen und so – ganz ungewollt – das Laugengebäck erfunden haben. Auch optisch unterscheiden sich die beiden Gebäcke. Die bayrische Brezel ist rustikal aufgerissen und zeichnet sich durch einen dicken Bauch und dicke Ärmchen aus. Die schwäbische Brezel präsentiert sich hingegen mit einem Schnitt oben und weist neben dem dicken Bauch dünne Ärmchen aus.