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Gutem Brot auf der Spur

Handwerk zwischen Innovation und Tradition

Für ein gutes Brot braucht es seit jeher die gleichen, wenigen Zutaten. Dennoch ist Brot backen eine Kunst, insbesondere das Beherrschen der Teigführung. Und die Bäckereien sind gefordert: sie müssen nicht nur stets auf die Mehlqualität achten, sondern auch auf vielfältige Kundenwünsche reagieren. Die Fachschule Richemont unterstützt sie dabei.

Marlies Keck

Obwohl sich unsere Ernährung im Verlauf der Zeit stark verändert hat: Gutes Brot hat seit jeher aussen knusprig, innen feucht und als Ganzes lange haltbar zu sein. Wurde es im 19. Jahrhundert noch mit Holzöfen und im Licht von Öllampen gebacken, erleichtern heute Knetmaschinen und Backöfen mit elektronischer Temperaturregelung die Arbeit. Und doch: «Vom Handwerk her ist vieles gleichgeblieben» sagt Reto Fries, Leiter der Richemont Fachschule. «Viele Bäcker haben das Rad der Zeit sogar bewusst zurückgedreht und arbeiten wieder wie früher – mit Vorteig und langer Triebführung.» Denn sie wissen: Je länger ein Teig reifen kann, umso intensiver kann sich das Aroma entwickeln. Andreas Dossenbach, Leiter Qualitätssicherung und Labor bei Richemont ergänzt: «Untersuchungen belegen zudem, dass das Brot bekömmlicher wird, je länger der Teig ruhen konnte.»

TeigJe länger ein Teig reifen kann, umso intensiver kann sich das Aroma entwickeln und desto bekömmlicher ist das Brot in der Verdauung. © Richemont

Brot weder Dick- noch Krankmacher

Tatsächlich zeigen diverse Studien, dass – nicht wie bisher angenommen – die Getreidesorten für die Verträglichkeit verantwortlich sind, sondern die Art der Teigführung und wie gut die Zuckerstoffe im Gärprozess abgebaut werden können. Andreas Dossenbach erklärt: «Die FODMAPs, eine Abkürzung für «fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole», können zum Beispiel von Reizdarm-Patienten im Dünndarm nur schlecht verdaut werden. Sie gelangen deshalb praktisch unverdaut in den Dickdarm, wo sie für die typischen Beschwerden sorgen. Die Analysen zeigen, dass sich mit jeder zusätzlichen Gärungsstunde die Menge an FODMAPs im Brotteig reduziert.» Brot wird oft ganz aus dem Speiseplan verbannt, obwohl nur ca. 5% der Bevölkerung in der Schweiz an einer weizen- oder glutenabhängigen Erkrankung leide. Auch bei Low-Carb- und Paleo-Diäten werde auf Brot verzichtet. «Zu Unrecht», betont Reto Fries: «Brot gehört zu einer ausgewogenen Ernährung dazu, da es reich an Ballaststoffen ist, viele Vitamine sowie Nährstoffe enthält und die Mineralienzufuhr sicherstellt.» Und in der Regel sei es nicht das Brot, das dick mache, sondern der Belag darauf.

Ausgewogene ErnaehrungBrot gehört zu einer ausgewogenen Ernährung dazu, da es reich an Ballaststoffen ist, viele Vitamine sowie Nährstoffe enthält und die Mineralienzufuhr sicherstellt. © Schweizer Brot

Sauerteig – die «Seele der Bäckerei»

Brote mit langer Triebführung haben also alle Vorteile auf ihrer Seite. Sie seien zusammen mit Sauerteigbroten auch gefragter denn je – und zwar nicht nur bei einzelnen Foodbloggern oder Ernährungswissenschaftlern. «Im Zuge der Farm-to-Table-Welle achten generell immer mehr Konsumenten darauf, woher ihre Lebensmittel stammen» sagt Reto Fries. «Dabei werden vor allem regionale, natürliche und unveränderte Rohstoffe bevorzugt, da sie nicht nur nachhaltiger sind, sondern auch authentischer schmecken.» Entsprechend steht der Sauerteig, den man gerne als «Seele der Bäckerei» bezeichnet und der den aromatischen Geschmack eines Brotes massgeblich prägt, hoch im Kurs. Denn ein typischer Sauerteig ist eine Mischung aus Mehl, Wasser und natürlichen Mikroorganismen. Er entsteht dank der spontan stattfindenden Fermentierung durch in der Luft vorhandene Milchsäure- und Hefebakterien. Andreas Dossenbach weiss: «Solche Mikroorganismen sind auch in anderen Rohstoffen wie Apfelsaft oder Joghurt vorhanden. Unsere eigene Sauerteig-Mutter, der wir nach der Aufnahme im «Puratos Center for Bread Flavour» in St. Vith den Namen «Helvetia» gaben, stammt beispielsweise aus einer Spontangärung mit Apfelsaft und Ruchmehl.» Mit dem Aufkommen der Backhefe vor 150 Jahren, die keine aufwändige und anspruchsvolle Teigpflege mehr verlangte, geriet die klassische Sauerteigführung aber vermehrt in Vergessenheit. «Bis heute» sagt Reto Fries. «Denn das Interesse der Branche, sich dieses Wissen wieder anzueignen, ist gross. Entsprechend hoch sind auch die Anmeldezahlen der Bäcker bei unseren Sauerteigkursen.»

Puratos Center for Bread FlavorReto Fries, Andreas Dossenbach und Urs Röthlin (v.l.n.r.) von der Richemont Fachschule bei der Übergabe ihres Sauerteigs «Helvetia» in das «Puratos Center for Bread Flavor» in St. Vith. © Richemont

Zwischen Innovation und Tradition

Also alles auf Anfang? Nicht ganz. Denn das Bekenntnis zu mehr Genuss und Sensorik durch die Arbeit mit Sauerteig, Vorteig oder langer Triebführung heisst nicht, gänzlich auf moderne Technologien zu verzichten – im Gegenteil. Denn wo früher ein Bäcker um 2 Uhr nachts in der Backstube stand, um zu teigen, machen es heute moderne Technologien möglich, dass der Teig am Tag geknetet und dann gekühlt gereift werden kann. «Dazu müssen allerdings Prozesse im Betrieb wie auch Rezepturen beim Teig angepasst werden» erklärt Reto Fries. «Veränderungen, bei denen wir gerne unterstützen». So bietet Richemont den rund 1650 Bäckereien in der Schweiz nicht nur Fach- und Weiterbildungskurse an, sondern berät sie auch vor Ort – bei der Entwicklung neuer Produkte oder bei der Einführung neuer Technologien wie eben solcher Teigkühl-Anlagen.

Technik, Forschung und EntwicklungHeute unterstützen moderne Technik, Forschung und Entwicklung, wie auch Vor-Ort-Beratungen von Richemont die Arbeit der Bäckereien. © Richemont

Qualitätsschwankungen eines Naturprodukts

Neben der Technologie gibt es aber noch andere Gründe, die Rezeptur für einen Brotteig anzupassen. Beispielsweise hat die Mehl- und damit die Weizenqualität einen entscheidenden Einfluss. Andreas Dossenbach macht ein Beispiel: «Ist der Sommer heiss und trocken, führt das dazu, dass die Enzymaktivität im Korn gering und das Wasserbindungs¬vermögen der Stärke hoch ist. Wenn die Stärke also mehr Wasser bindet, wird das Brot trockener. Entsprechend müssen die Müller und auch die Bäcker Massnahmen treffen, damit das Brot von immer gleich guter Qualität ist – etwa durch Beigabe von Gerstenmalz.» Wie die Backqualität der jeweiligen Getreideernte sein wird, wisse man allerdings immer erst nach eingehenden Analysen der Getreidemuster, die im Richemont-Labor in Luzern stattfinden.

SortimentDie Bäcker backen, was die Konsumenten wünschen: Chiliring, Chnurzelbrot, Urdinkel-Vollkornbrot, Einkorn-Früchtebrot und Chia-Rapsbrötchen (von links). © Richemont

Anspruchsvolle Kunden – grosses Potenzial

Eine gute Brotqualität alleine reicht dem Kunden von heute allerdings nicht mehr aus. Er lebt viel gesundheitsbewusster, sucht Abwechslung in seiner Ernährung und kauft entsprechend anspruchsvoller ein. «Viele Bäckereien haben darauf reagiert, indem sie eine breite Palette an verschiedenen Broten anbieten und neben dem Weizen zunehmend auch andere Getreide wie Roggen, Dinkel, Emmer oder Einkorn verarbeiten. Oder sie kreieren Neues, mischen Chiasamen in den Teig und experimentieren mit Kernen oder Nüssen» sagt Reto Fries. Denn: «Wer als Bäcker überleben will, muss den Konsumtrends folgen.» Und Andreas Dossenbach ergänzt: «Viel Kreativität und Abwechslung liegt aber nur schon in den verschiedenen Teigführungsarten. Allein darin liegt für die Bäckereien bereits grosses Potenzial, um sich zu differenzieren und zu profilieren».

Klar ist: Das Pflegen von Handwerk zwischen Innovation und Tradition wie auch die Ansprüche der Konsumenten sind grosse Herausforderungen und erfordert viel Flexibilität und Know-how von den Bäckern.

Richemont Kompetenzzentrum

1945 gegründet und mit Sitz in Luzern versteht sich Richemont als unabhängiges, nationales und internationales Kompetenzzentrum der Gesamtbranche Bäckerei, Konditorei und Confiserie. Die vielfältigen Dienstleistungen beinhalten unter anderem eine umfassende Aus- und Weiterbildung, individuelle Seminare für Firmen und Gruppen, Verkaufsschulungen vor Ort, den Buch- und Lehrmittelverlag, ein breitgefächertes Beratungsangebot sowie Forschung & Entwicklung. Eine attraktive, öffentliche Gastronomie mit Hotel runden das Angebot ab.

www.richemont.online