Artikel

Jeder Laib ein Kunstwerk

Brotvernissage

Klein, aber fein: Die Kunstgalerie – pardon – die Backstube von Alfred Bau in Frauenfeld. Die Analogie ist gewollt. Jeder Laib ist ein Kunstwerk, das reift und mit Hingabe kreiert wird. Exklusiv erhältlich nur an Wochenenden.

Marlies Keck

Es herrscht reger Betrieb an der Zürcherstrasse 199 in Frauenfeld. Es ist Freitagvormittag und die «Brotvernissage» hat geöffnet. Alfred Bau, Bäcker-Konditormeister und Inhaber der einzigartigen Mikrobäckerei zieht gerade mehrere Laibe aus dem Ofen, während ihn die kauffreudige Kundschaft dabei beobachtet. «Opa Friedrich» sagt er später und deutet auf die Brote vor ihm. «Weil schon mein Grossvater kräftig gebackene, aromatische Brote mochte, hab’ ich dieses Brot nach ihm benannt.» Der Künstler erklärt sein Werk: «Die kräftige Kruste mit intensiven Röstaromen trifft auf eine malzig-feuchte Krume – und der Duft des milden Roggensauerteigs rundet das harmonische Gesamtbild ab.» Alfred Bau weiss, wovon er spricht. Als geprüfter Brotsommelier ist er nicht nur Experte in Brotgeschichte, Kultur und Sortenvielfalt, sondern auch in Sensorik und Brotpairing. Dazu gehöre auch, die Sinneseindrücke und Geschmäcker genau zu beschreiben. «Nase und Gaumen waren bei mir schon immer fein eingestellt. Doch erst mit der Ausbildung zum Brotsommelier kam die Fähigkeit dazu, das Aromenspiel auch in die richtigen Worte zu fassen» so der Fachmann.

Alfred Bau beim Brot essen
Alfred Bau in seinem Element als Brotsommelier: Er riecht am Laib, begutachtet ihn, drückt auf die Kruste, schneidet das Brot auf, probiert es und verleiht ihm eine Sprache. © Donato Caspari

Botschafter des Brotes

Mit dem kleinen Ladenlokal hat sich Alfred Bau einen Traum erfüllt. «Eine eigene Bäckerei – aber ohne Kompromisse.» Was heisst das? «Ich backe urtümliches Brot. Brot, so wie früher. Ein aromatisches Brot, das seine Zeit braucht, dafür aber auch eine Woche lang frisch bleibt.» Jeweils mittwochs weckt der Sommelier seine drei SauerteigsortenWeizen, Dinkel und Roggen – aus ihrem Dämmerschlaf, donnerstags wandern die damit hergestellten Teige für Stunden in Gärkörben in die Kühlzellen im Keller, um dann freitags und samstags im Ladenlokal zu Broten gebacken und verkauft zu werden. Fünf Sorten sind es aktuell, dazu kommen saisonale Spezialitäten und Klassiker wie das Baguette, die Gipfeli oder der Butterzopf. Rund 250 Laibe pro Tag stellt Alfred Bau in seiner Einmann-Bäckerei her. «Mehr will ich gar nicht» sagt er verschmitzt. Ganz ehrlich: Mehr wäre hier auch gar nicht möglich. Und: «In der Reduktion liegt das Exklusive – im Angebot, wie bei den Öffnungszeiten».

Weniger ist mehr – wenn die Qualität stimmt. Die Kunstwerke von Alfred Bau haben Namen wie «Opa Friedrich» oder «Wilde Hilde». © brotvernissage.ch

Wunderwerke der Natur

Im kleinen, charmant renovierten Laden mit Natursteinmauer aus dem 15. Jahrhundert, nimmt der Backofen einen grossen Teil des Raumes vor der Ladentheke ein. Im Verkauf wechseln sich seine Tochter, seine Partnerin und eine Mitarbeiterin ab. «Das Konzept – klein, aber fein – entspricht der Wertschätzung für das Produkt» sagt Alfred Bau. Denn Brot sei mehr als ein Grundnahrungsmittel. «Brot ist ein Wunderwerk der Natur und verdient entsprechende Anerkennung – so wie Wein oder Käse.» Entsprechend auserlesen sind auch die Zutaten – allen voran das Mehl, das er von diversen Mühlen bezieht. «Das speziellste Mehl ist wohl das aus Champagner Roggen – ursprünglich aus Frankreich, 1898 erstmals im Deutschen Verzeichnis der Landwirtschaftsgesellschaft erwähnt. Das Brot – ein 100% Roggenbrot – ist aussergewöhnlich mild in Aroma und Geschmack. Daneben überzeugt das Brot mit seiner roggentypischen Kruste und der feinporigen, feuchten Krume», schwärmt er. Aber auch das Dinkelmehl – Oberkulmer Rotkorn – oder das Bio-Mehl vom Demeter-Hof Messmer in Wolfikon (TG) seien wie alle seine Zutaten von höchster Qualität.

Ob Weizen, Dinkel oder Roggen: In der Brotvernissage ist jeder einzelne Laib der Star. © brotvernissage.ch

Beruf oder Berufung

Bei Alfred Bau ist klar: «Das Brot ist der Star» – dies müsse das Ziel eines jeden Bäckers sein. Er selbst zelebriert sein Handwerk und rät seinen Branchenkollegen, es ihm gleich zu tun. «Natürlich haben auch Grossbäckereien und Ketten ihre Berechtigung. Aber wir müssen für Qualität und Regionalität einstehen, uns präsentieren, mit Bäckerbluse hinstehen und stolz von unserem Beruf erzählen.» Seine Botschaft überbringt Alfred Bau nicht nur in seiner Brotvernissage, sondern auch bei seiner Haupttätigkeit als Verkäufer, Produktentwickler und Berater bei der Groupe Minoteries SA (GMSA) sowie in zahlreichen Kursen und Lehrgängen. So ist der Branchenmann mit seiner profunden Erfahrung weitum gefragt. «Ursprünglich wollte ich Koch werden, entschied mich dann aber doch fürs Bäckerhandwerk», blickt er zurück. Aufgewachsen in Obergösgen (SO) absolvierte er die Lehre als Bäcker-Konditor in der damaligen Bäckerei Kalt in Trimbach. Danach hat er in verschiedenen Bäckereien und Gastronomiebetrieben im In- und Ausland gearbeitet und sich stets weitergebildet. «Nach über 40 Jahren im Bäckereihandwerk habe ich alle möglichen Geschäftsmodelle gesehen – aber eine Mikrobäckerei wie meine Brotvernissage ist einzigartig» sagt er nicht ohne Stolz. «Hier dreht sich alles um gehaltvolles, schmackhaftes Brot – und um Wertschätzung. Dafür investiere ich gerne meine Zeit – auch wenn es meine Freizeit ist.»

Alfred Bau beim Brottransport