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Bernhard Augsburger, Rhonemühle Naters

Sortenvielfalt dank moderner Mühle

50 Tonnen Getreide kann die Rhonemühle täglich vermahlen und beliefert damit alle Regionen des Kantons Wallis und – für Spezialitäten und Nischenprodukte – auch die Regionen im Rest der Schweiz. Mehl ist aber nicht gleich Mehl: Rund 200 verschiedene Mehle, Mischungen und Rezepturen sind im Sortiment der Rhonemühle zu finden. Bernhard Augsburger, Direktor der Rhonemühle, im Interview.

Marlies Keck

Herr Augsburger, die Rhonemühle ist für die Getreideverarbeitung im Wallis die erste Adresse. Wie kam es dazu?

Den Grundstein legte mein Grossvater Adolf Augsburger vor mehr als 100 Jahren. Damals wurde das Getreide grossmehrheitlich via Import vom Hafen in Genua via Iselle auch in’s Schweizer Mittelland geliefert. Es war sein taktisches Gespür für Handelspolitik, die Mühle auf dieser Achse im Wallis zu bauen, denn schliesslich gab es damals noch keine Getreidemühle im Kanton. Die Lage in Naters – in der Nähe des Bahnhofs Brig – war prädestiniert dafür. So wurde die Rhonemühle 1913 in Betrieb genommen, mit einer Leistung von 7 Tonnen Weizen pro Tag. Wie damals ist die Rhonemühle auch heute die Hauptabnehmerin für die regionalen Bauern und Lieferantin von verschiedensten Mehlsorten, die zur Brotherstellung notwendig sind. Allerdings ist die Mühle, im Gleichschritt mit der industriellen und touristischen Entwicklung des Kantons, mitgewachsen und verarbeitet heute ca. 7 Mal mehr als bei ihrer Gründung, also rund 6‘000 t. Tonnen im Jahr.

Rhonemuehle NatersBürgt seit über 100 Jahren für qualitativ hochstehende Produkte: die Rhonemühle in Naters. © Rhonemühle

Sie sind mittlerweile in dritter Generation tätig. Was ist das Erfolgsgeheimnis?

Es ist wohl unsere Devise: «Stärken betonen statt Schwächen beklagen». Denn trotz aller Widrigkeiten wie der Wirtschaftskrise Ende der 20er-Jahre und der nachfolgenden Arbeitslosigkeit schaffte es unsere Familie stets, die Mühle durch das an Ereignissen wahrlich nicht arme 20. Jahrhundert zu lotsen. Der Zweite Weltkrieg und die auch damit zusammenhängende Pflichtlagerhaltung bedingte im Jahre 1939 den Bau eines neuen, freistehenden Getreidesilos im Osten der Mühle. Im Kriegsjahr 1942 folgte dann ein herber Rückschlag: Ein Brand zerstörte die gesamte Mühle. Sie wurde aber ohne zu zögern wieder aufgebaut – noch grösser und noch leistungsfähiger. Heute stellen wir mit modernstem Maschinenpark qualitativ hochstehende Mehle, Griesse und zahlreiche weitere getreidebasierte Nahrungsmittel für Bäckereien, Industrie und Handel her.

MaschinenparkDer Maschinenpark der Rhonemühle: modern und leistungsfähig. © Rhonemühle

Tatsächlich bieten Sie mit über 200 Mehlen, Mischungen und Rezepturen eine enorme Produktvielfalt an. Wie das?

Unsere Kunden suchen immer mehr nach Möglichkeiten, sich von der Konkurrenz abzuheben. Da bieten sich spezielle Mehle, Mahlverfahren oder Mischungen natürlich an. Also haben wir dahingehend investiert (Mikrokomponenten-Dosieranlage und Chargenmischer) und einige Hundert Rezepturen gespeichert, die wir bei Bedarf kundenindividuell bereitstellen können. Das erleichtert die Arbeit in den Backstuben enorm, gibt mehr Sicherheit und die Garantie, dass die einzelnen Brotsorten immer gleich gut schmecken. Zudem können wir flexibel und sehr kurzfristig auf vielfältige Ideen unserer Kunden reagieren und auch Wünschen nach Neuentwicklungen rasch nachkommen. Eine Anpassungsfähigkeit, die bei der gesamten Wertschöpfungskette Getreide, Mehl und Brot gefragt ist, da auch diese laufend auf die sich immer rascher wandelnden Rahmenbedingungen des Marktes reagieren muss.

MehlRund 200 verschiedene Mehle, Mischungen und Rezepturen sind im Sortiment der Rhonemühle zu finden. © Marlies Keck

Wie meinen Sie das?

Der im Markt herrschende Druck auf alle Stufen der Wertschöpfungskette ist nicht zu ignorieren. Als Stichworte sind die Zunahme von Tiefkühlprodukten, die steigenden Brot- und Backwarenimporte, Konsumtourismus, das Cassis-de-Dijon-Prinzip und auch Freihandelsbemühungen zu nennen. Last but not least: Trotz zunehmender Wohnbevölkerung stagniert der Brotkonsum in unserem Land. Die Schweiz im Allgemeinen und der Kanton Wallis im Speziellen sind (auch) stark vom Tourismus abhängig. Die diesbezüglichen Frequenzen sind stark abhängig vom Wechselkurs gegenüber dem Euro. Der Mehlverkauf hier im Wallis ist denn auch ein guter Gradmesser für die Übernachtungen und somit für den Erfolg dieses für uns wichtigen Teils des tertiären Sektors.

Sind diese Herausforderungen auch die Gründe, die 2015 zur Kooperation mit der Groupe Minoteries SA (GMSA) führten?

Schon, aber nicht nur. Vor dem wirtschaftspolitischen Hintergrund war mir schon früh klar, dass sich die Strukturanpassungen in unserer Branche fortsetzen werden. Die Variante Alleingang war für uns keine strategische Option. Einerseits, um Kosten und Risiken besser zu verteilen, andererseits aber auch, um Chancen schneller und optimaler wahrnehmen zu können. Im Rahmen dieser Überlegungen wurde im 2015 die GMSA-Tochter Moulins de Sion SA geschlossen und deren Verarbeitungsmengen nach Naters «gezügelt». Im Gegenzug beteiligte sich die Groupe Minoteries SA an der Rhonemühle und übernahm einen Anteil von 30 Prozent des Aktienkapitals der Gebrüder Augsburger AG.

Eine Win-win-Situation?

Absolut. Wir hatten die Kapazitäten, das Know-how und den Willen, die zusätzlichen Mengen an Brotgetreide problemlos zu verarbeiten. Zudem waren wir schon damals moderner ausgestattet als die Sittener Mühle. Heute beliefern wir zu etwa 80 Prozent gewerbliche Bäckereien, zu rund 18 Prozent Grossverteiler und zu etwa 2 Prozent die Gastronomie mit unserem Angebot an Mehlen, Mischungen und Rezepturen. Und was vor allem die Konsumentinnen und Konsumenten freut, die Wert auf regionale Produkte und Verarbeitung legen: Die geschützte Ursprungsbezeichnung AOP (früher AOC) für das Walliser Roggenbrot blieb so unangetastet. Dafür muss nämlich gewährleistet sein, dass der Roggen nicht nur im Wallis angepflanzt, gewachsen und geerntet wurde, sondern dass auch er in einer Walliser Mühle vermahlen und danach in einer Walliser Bäckerei verbacken wird.

WallisDer Roggenanbau und die traditionelle Verarbeitung in der Dorfgemeinschaft erleben im Kanton Wallis derzeit eine Wiederbelebung. © Rhonemühle

Das Roggenbrot gehört zum Wallis wie das Raclette und der Wein?

Stimmt. In der Schweiz wird etwa 1 Prozent Roggenbrot gegessen, im Wallis sind es ganze 11 Prozent. Also 10 Mal mehr. Die Walliser haben gelernt, aus robustem Roggen, der auch unter den harten, trockenen Klimabedingungen gut gedeiht, ein dunkles, nahrhaftes Brot zu backen. Es ist rund und rissig, schmeckt aber bei jedem Bäcker ein wenig anders. Das Brot schmeckt aber immer leicht säuerlich, weil es mit Hilfe von Sauerteig hergestellt wird. Dadurch bleibt es auch länger frisch. Früher haben die Familien übrigens ihre Laibe im Gemeinschaftsbackofen des Dorfes gebacken. Als Beispiel kann vielleicht das Backhaus Wichje in Blatten genannt werden. Dieses Roggenmehl aus Blatten findet sich im Ur-Roggenbrot für Slow Food wieder. Ein im doppelten Sinne nachhaltiges Produkt. Unsere Umwelt schenkt uns den Roggen und unseren Gästen eine intakte, das Auge erfreuende Landschaft.

Und gibt es das Roggenmehl auch in unterschiedlichen Variationen?

Klar. Als Roggenmehlprofis führen wir mehr als 20 verschiedene Roggenmehle und -schrote im Sortiment. Nicht nur aus konventionellem Getreide, sondern auch aus Bio-Anbau mit Knospe und wie gesagt in AOP-Qualität. Das gesunde und schmackhafte Produkt ist für uns ein Stück Kultur und Tradition, Identität eben.

RoggenDer Roggen enthält viele B-Vitamine und Mineralien wie Kalium, Phosphor, Fluor, Kieselsäure, Calcium und Eisen. © Rhonemühle

Neben der AOP-Zertifizierung haben Sie auch zahlreiche weitere Labels und Auszeichnungen erreicht, die man auf diesem Gebiet haben kann. Bereits vor zehn Jahren z.B. auch das Label «Alp und Berg», als erste Mühle der Schweiz. Gibt es noch Ziele?

Verbessern kann man sich immer. Heute sind wir ein hochtechnologisches Unternehmen mit entsprechend hohen Ansprüchen an Hygiene und Lebensmittelsicherheit. Diese beiden Begriffe umschreiben in unserer Branche – abgesehen von der Herkunft – ja übrigens auch Qualität. Wichtig ist, diesen Standard zu halten und laufend den neusten Erkenntnissen anzupassen.

Und wie sieht es mit der vierten Generation aus?

Tatsächlich haben meine Frau Anne-Rose und ich einen Sohn, der sein Studium mit einem Master als Lebensmittelingenieur abgeschlossen hat und als solcher tätig ist. Es bestehen also für uns alle, gerade auch als Teil der Groupe Minoteries, zahlreiche Optionen für die Zukunft. Grundsätzlich halte ich es aber so, wie schon mein Vater: Es ist letztlich die Entscheidung jedes und jeder Einzelnen, welchen Weg er/sie schlussendlich gehen will.

Die Rhonemühle

Die Rhonemühle des 21. Jahrhunderts ist ein technisch leistungsfähiger, den aktuellen hygienischen Anforderungen entsprechender, moderner Industriebetrieb. Aus sorgfältig ausgewählten Rohstoffen stellt sie qualitativ hochstehende Mehle, Griesse und zahlreiche weitere getreidebasierte Nahrungsmittel für eine vielfältige Kundschaft aus Bäckerei, Industrie und Handel her.

www.rhonemuehle.ch