Die Qualität von Brot beurteilen
Viele von uns essen täglich Brot – weil es gut schmeckt. Aber was macht denn gutes Brot aus, und wie können wir die Qualität von Brot beurteilen? Eine Anleitung in sieben Schritten.
Den meisten von uns fällt es leicht, ein Brot zu beurteilen: Es schmeckt uns, oder es schmeckt uns eben nicht. Etwas schwieriger wird es, wenn wir erklären wollen, was ein gutes Brot ausmacht: Ist es besonders knusprig? Bevorzuge ich ein weiches und schön fluffiges Brot? Mag ich den leicht säuerlichen Geschmack? Oder sollte es eine nussige Note haben?
Eine Sprache für und über das Brot
Oft fehlen uns die richtigen Worte, und wir wissen nicht genau, welche Elemente eines Brotes das Geschmackserlebnis ausmachen. Brotexpertinnen und -experten aus Deutschland und der Schweiz um Professor Michael Kleinert von der ZHAW haben sich vor einigen Jahren Gedanken dazu gemacht: Wie lässt sich die Qualität eines Brotes erkennen und beschreiben? Daraus entstanden ist die «Weinheimer Brotsprache», ein Instrument, das sich gut eignet, um mehr über unser tägliches Brot zu lernen. Es wird auch in der Ausbildung der Brotsommeliers genutzt.
Peter Kasimow aus Rupperswil ist der erste Brotsommelier der Schweiz. (Bild: Schweizer Brot)
Die eigenen Vorlieben kennenlernen
Mit etwas Aufmerksamkeit lässt sich so dem guten Brot auf die Spur kommen, und man lernt mehr über die eigenen Vorlieben: Mag ich eher «rösches» Brot, bevorzuge ich getreidige oder süsse Geschmacksnoten? Möchte ich ein Brot, das sich im Mund kernig anfühlt, oder doch lieber etwas «schmelziges»?
In sieben Schritten zum Lieblingsbrot
Wir haben hier die wichtigsten Punkte aus der Weinheimer Brotsprache zusammengefasst – als kleinen Leitfaden, um dem eigenen Lieblingsbrot auf die Spur zu kommen. Unser Vorschlag: Setzen Sie sich mit Ihrem Lieblingsbrot an einen Tisch, und folgen Sie uns auf eine kurzweilige Reise zum Brotgeschmack.
Das kleine Bäckerlatein
Zuerst benötigen wir etwas Bäckerlatein, um unser Brot richtig beschreiben und untersuchen zu können. Aber keine Angst, wir beschränken uns auf das nötigste:
Die Kruste: Die Kruste, Brotkruste oder Rinde ist der äussere, feste Teil des Brotes. Die Kruste umgibt die Krume (siehe unten) und schützt sie vor biologischen Schädlingen wie Schimmelpilzen oder mechanischer Beschädigung. Gleichzeitig hat die Kruste grossen Einfluss auf das Aroma.
Die Rösche: Die Rösche ist eine Eigenschaft der Kruste. Eine rösche Kruste ist knusprig und zartsplittrig, weder zu mürbe noch zu spröde.
Die Krume: Die Brotkrume ist das Innere des Brotes. Geschmack und Geruch der Krume werden durch Zutaten bestimmt, aber auch durch die Aromastoffe, die sich in der Kruste bilden. Von der Krume hängt der Nährwert des Brotes ab.
Die Porung: Die Porung beschreibt die Hohlräume in der Krume. Das Porenbild kann fein, klein, mittel oder grob sein, und unregelmässig oder regelmässig ausgebildet sein.
Mit diesem Vokabular ausgerüstet können wir uns auf den Weg machen: In sieben Schritten erfahren Sie mehr über das Brot vor Ihnen: Wir erfühlen, «erriechen» und «erkauen» uns das Wissen über unser Brot.
Roggenmehl lässt sich nur mit Sauerteig verbacken, die Brote haben deshalb einen kräftig-säuerlichen Geschmack. (Bild: Schweizer Brot)
1. Form und Oberfläche des Brotes
Als Erstes lässt sich das Brot von aussen beurteilen. Sind Form und Grösse typisch für die Brotsorte? Oder ist das Brot zu klein, zu gross, allenfalls zu flach oder zu rund? Die Oberfläche des Brotes lässt sich ebenfalls untersuchen: Der Glanz der Oberfläche lässt ein Brot lebhafter und frischer wirken, sollte aber nicht zu intensiv oder zu schwach sein. Die Farbe des Brotes muss der Brotsorte entsprechen; das Brot sollte eine regelmässige Bräunung aufweisen. Die Struktur der Oberfläche ist ein weiterer wichtiger Punkt sein: Ist sie unregelmässig und wild, weist sie allenfalls tiefe Risse auf?
2. Der Duft des Brotes
Der polnische Dichter Jaroslaw Seifert bezeichnete ihn als den «Duft der Düfte». Entsprechend wichtig ist er für die Beurteilung des Brotes. Am besten riecht man am ganzen, nicht angeschnittenen Brot. Es kann helfen, die Kruste anzuhauchen oder leicht zu reiben. Dadurch erwärmt sich die Kruste leicht, und die Aromen können sich besser entwickeln. Die Duftnoten der einzelnen Brotsorten weisen ein breites Spektrum auf, das kann von röstig über fruchtig, nussig bis hin zu fettig gehen. Wie riecht Ihr Lieblingsbrot?
3. Das Brot brechen
Tatsächlich lässt sich Qualität hören: Wer ein Brot in einem ruhigen Raum anschneidet, erhält einen ersten Eindruck von der Beschaffenheit und der Konsistenz des Brotes. Beim Anschneiden merken wir auch, ob ein Brot rösch, zartsplittrig oder fluffig ist. Oder, nicht so ideal, ob es sich schwammig, spröde oder glasig anfühlt. Der Profi-Tipp zum Anschneiden: Mit dem Brotmesser sägen, und nicht allzu fest drücken.
4. Die Ansicht der Krume
Die Krume lässt sich anhand Porung, Farbe und Beschaffenheit untersuchen. Die Porung kann von sehr luftig, locker, fein, dicht bis hin zu einer Korn-an-Korn-Porung reichen. Die Farbe der Krume sollte typisch für die Brotsorte sein, also weder zu dunkel oder zu hell, aber auch nicht unregelmässig. Als Drittes ertasten wir uns die Krume. Idealerweise ist sie dehnbar und elastisch, also nicht zu fest und nicht zu krümelig.
5. Der Duft der Krume
Wie riecht das Innere des Brotes? Dazu nimmt man am besten das geöffnete, also angeschnittene Brot in beide Hände, hält es sich an die Nase und drückt es mehrmals zusammen. Welche Duftnoten sind zu riechen? Das kann bei Brot von malzig, mild säuerlich, erdnussig, würzig bis hin zu rauchig reichen.
6. Das Mundgefühl
Endlich probieren wir das Brot: Es geht um den Kaueindruck. Dazu nimmt man eine halbe Scheibe Brot und beisst ein Stück ab, so dass man neben der Krume auch ein Stück der oberen Kruste erwischt. Und dann: Langsam und lange kauen, so dass sich die Aromen entfalten können. Wie fühlt es sich an? Je nach Brotsorte ist das unterschiedlich, von weich, wattig über feucht, kompakt bis hin zu fest oder krümelig. Die Krume sollte sich auf jeden Fall nicht zäh, pappig oder zu fest anfühlen.
7. Das Geschmacksbild
Nun geht es an das Eingemachte: Wie schmeckt das Brot? Wir können die Geschmacksnoten beschreiben. Ein Vollkornbrot schmeckt eher «getreidig», ein Butterzopf vielleicht ein wenig «fettig». Achten Sie auch darauf, wie intensiv diese Geschmacksnote ausgeprägt ist, also eher mild, frisch, stark oder gar stechend? Fehlt es an Aroma, oder schmeckt das Brot sortenuntypisch zu säuerlich? Wichtig ist ein harmonischer Geschmack, der die Zutaten des Brotes, etwa die vermahlenen Getreidesorten oder Beigaben wie Nüsse, gut und ausgewogen zur Geltung kommen lässt.
Panino rustico und Aprikosenkernbrötchen (Bild: Schweizer Brot)
Besser Brot essen
Brot ist ein Lebensmittel, das uns seit Jahrtausenden begleitet – ein Kulturgut, das unsere Aufmerksamkeit verdient. Die Schweiz kennt mehr als 200 Brotsorten, und bietet damit über 200 Gelegenheiten, Brot und die Geschichte dahinter besser kennen zu lernen. Wir wünschen viel Spass auf den nächsten Entdeckungsreisen!
Michael Kleinert und Bernd Kütscher haben 2018 ihr Buch «Die Sprache des Brotes» veröffentlicht. Das grossformatige Buch mit vielen Fotografien hilft, Brotqualität zu erkennen und mit der Sprache des Brotes auch zu begeistern. Die Publikation eignet sich für Fachleute und interessierte Laien und bietet viel Hintergrundwissen über unser tägliches Brot.
«Die Sprache des Brotes» Michael Kleinert und Bernd Kütscher, Matthaes Verlag GmbH, Stuttgart, 2018, ISBN 978-3-87515-212-8