Zu Besuch bei «Bread à porter»
Sie heissen «Bsetzi», «Ligu Lehm» oder auch «Chueflade» – die Kreationen aus dem Hause «Bread à porter» in Bern. Fast schon wöchentlich kommen neue «Brot-O-Typen» dazu. Zu Besuch bei Kreativkopf Patrik Bohnenblust – Bäckermeister, Sauerteigspezialist und Brotsommelier.
Boutiquen, Ateliers und Läden – Einkaufen in der Berner Altstadt ist ein einzigartiges Erlebnis. Unter den Lauben und in den typischen Gewölbekellern gibt’s unzählige Schätze zu entdecken. Auch im Rohr-Haus an der Münstergasse 74, wo seit über 150 Jahren eine Bäckerei steht – seit bald zehn Jahren das Team von «Bread à porter». Und der Name ist Programm. «Das englische «Bread» steht für modern, jung, dynamisch, urban» erklärt Patrik Bohnenblust, Bäckermeister und Kreativkopf der Bäckerei. «Und das französische «à porter» steht für die traditionelle französische Backkunst mit viel Geschmack und Frische.» Dazu kommt die offene Backstube, in der die Kundschaft das Handwerk live miterleben kann. «Wie auf dem Laufsteg geht eine Kreation nach der anderen raus in die Welt» schmunzelt er. Und es gibt viel zu sehen auf den knapp 55 m2. «Manchmal wird es bei zu vielen Schaulustigen schon sehr eng.» Aber der direkte Kundenkontakt sei ihm enorm wichtig. «Gerade, wenn wir die leuchtenden Augen sehen – von Kindern wie auch von Erwachsenen…eine wunderschöne Bestätigung.»
Nah bei den Leuten
Patrik Bohnenblust ist überzeugt: «Wer unsere Arbeit und Leidenschaft sieht, beisst genussvoller ins Brot und weiss das Handwerk zu schätzen.» Aktiv mitzuerleben, wie die eigens produzierten Waren über den Ladentisch gehen und dann für Genuss und Freude sorgen, sei ein echtes Privileg. «Wo sonst bekommt man ein so direktes Kundenfeedback?» fragt der knapp 55-jährige rhetorisch. Als ausgebildeter Brotsommelier weiss Patrik Bohnenblust aber auch viel zu erzählen – über seine Brote, den Sauerteig (mittlerweile führt er mit Weizen, Roggen und Urdinkel gleich drei an der Zahl), die Sensorik, die Herkunft und die Geschichte. Genau deshalb liebt er es auch, «am Gourmet-Märit» zu verkaufen. «Da haben die Leute Zeit für einen Schwatz und wollen wissen, was alles in aber vor allem auch hinter den Broten steckt» so Bohnenblust.
Mehr als ein «Ligu Lehm»
Allein schon die Namen der Brote lassen aufhorchen. Ligu Lehm? «So nennen wir hier im Mattenquartier ein Stück Brot» erklärt Bohnenblust. «Man schmeckt beim ersten Bissen erst das kohlige, feurige Röstaroma. Erst nach und nach entwickelt sich dann ein saftiger, malziger und leicht säuerlicher Abgang,» Mit seiner Ausbildung als Brotsommelier fällt es Patrik Bohnenblust (noch) leichter, den Geschmack eines Brotes zu beschreiben. Und woraus besteht nun ein «Bsetzi» und was erwartet mich beim «Chueflade»? Patrik Bohnenblust klärt auf: «Ein Bsetzi – in der Form wie ein Pflasterstein – schmeckt leicht süsslich nach Banane, bringt aber als Gegenpol auch eine leichte Säure mit. Fast wie in einem Obstgarten. Der «Chueflade» ist aussen mit einer mehligen Kruste stark gebacken, was der feuchten Krume innen einen fruchtigen, nussigen Geschmack verleiht. Als Variante bieten wir es mit Chörnli an – sie runden das Brot mit dem Geschmack nach gepufftem Mais ab. Und wer auf offener Strasse laut sagt: «Heute nehme ich einen «scharfen Berner» mit nach Hause», hat die Lacher sicher auf seiner Seite – und geniesst später einen würzigen Apérosnack mit Peperoncini und Feta.»
Von Bern, in Bern, für Bern
Patrik Bohnenblust weiss: Die speziellen Kreationen und Namen zeichnen sein Geschäft aus, dienen als Türöffner aber auch als Tischgespräch. «Ein normales «Ruchbrot» schafft das wohl nie.» So habe er stets offene Ohren und Augen und lasse sich für seine Produkte gerne von den Menschen, der Stadt und der Natur inspirieren. Tatsächlich kann Patrik Bohnenblust auf der Berner Altstadtkarte auch schon so etwas wie eine «Tour de Pain» einzeichnen – mit Orten, die für die Entwicklung seiner Gebäcke wichtig waren. «Das geht vom Geisterhaus in der Junkergasse bis zum Bundesplatz.» Ein Beispiel? «Das Ankebrötli ist eine Art Hommage an die Landwirte aus dem 17. und 18. Jahrhundert, als sie hier gegenüber – in der so genannten «Anke-Loube» – Butter und auch Käse verkauften. Es war für die Ankenwaage wohl der kühlste Ort der Stadt – und wer unsere Ankebrötli nach dem Anschnitt genauer betrachtet, erkennt darin die Form der Laubenbögen.» Natürlich seien auch die Zutaten entscheidend. «Wir setzen auf Rohstoffe aus der Region. Butter und Käse haben wir beispielsweise von der Dorfkäserei Noflen. Und wer weiss – vielleicht verkaufte schon der damalige Käser aus Noflen seine Produkte hier!» Es ist echte Wertschätzung für die regionale Wertschöpfung, die Patrik Bohnenblust umtreibt. Und die Neugierde, was aus den einfachsten Zutaten geschmacklich herauszuholen ist.
Brot-O-Typen und die Freude am Tüfteln
Für sein Tüfteln mit Food Pairing ist er weitum bekannt. «Manche fragen extra nach, was es Neues zu probieren gibt.» Sie wissen: Patrik Bohnenblust sonnt sich nicht im Erfolg seiner Brote. Nein, er kreiert immer wieder neue Sorten. Wie das Gin-Brot: Brot mit Gin-Trester aus der Berner Matte Brennerei. «Da habe ich den Sud als Teigflüssigkeit verwendet und Zitrusfrüchte beigemischt. Ein fantastisches Aroma.» Es erstaunt nicht, dass so auch Getreideproduzenten aktiv auf ihn zukommen. Erst kürzlich sei er von einem Saatenzüchter aus Münsingen angefragt worden, ob er mit seinem schwarzen Emmer, rund 100 Kilo, etwas anfangen könnte. «Und dann fahre ich zufällig an einem Getreidefeld vorbei und staune, wie zwei Meter hohe Halme zusammen mit Mohnblumen im Wind um die Wette tanzen. Van Gogh hätte wohl gleich seine Staffelei vorgeholt! Der Landwirt hat mir erklärt, dass es sich hier um Waldstauden-Roggen handelt.»
Wir dürfen uns also auf einen neuen «Brot-O-Typen» mit schwarzem Emmer und Waldstauden-Roggen freuen? «Ja, es braucht aber noch ein paar Backversuche, bis ich zufrieden bin» schmunzelt er, ohne sich in die Karten blicken zu lassen. Er sagt: «Mein Tüfteln ist Fluch und Segen zugleich. Schliesslich kann ich mein Sortiment nicht endlos erweitern.» Und auf die Frage hin, welches davon denn sein Lieblingsbrot sei, meint er verschmitzt: «Naja, ich habe eine eigene Definition von Lieblingsbrot. Für mich gehört jedes Brot, das von hier, von Hand und mit Liebe hergestellt wird, dazu» lacht er. So kann ich je nach Situation, Essen und Gesellschaft stets ein dazu passendes Lieblingsbrot geniessen.»
«Bread à porter» ist die letzte noch in der Berner Altstadt backende Bäckerei und will das noch lange sein. Wie auf dem Laufsteg ist die Backstube offen bringt laufend ofenfrische Genüsse in den Verkauf. Rund 20 Mitarbeitende sind an den Standorten Münstergasse 74 und Kornhausplatz 11 am Werk. Zu den zahlreichen Spezialitäten gehören «Chueflade», «Ligu Lehm» oder auch «Scharfe Bärner». Inhaber Patrik Bohnenblust hat «Mehl im Blut» wie auch in den Genen. Schon die Eltern hatten eine Bäckerei, welche nun seine Geschwister führen. Und die Tradition lebt weiter. Tochter Céline hat in der Münstergasse 74 kürzlich die Backstubenleitung übernommen. Als Bäcker, Brotsommelier und Sauerteigspezialist gibt Patrik Bohnenblust sein Wissen auch gerne in Kursen weiter: www.klubschule.ch.