Vor dem Regal
Qual der Wahl beim Mehleinkauf: Vollkornmehl, Dinkelmehl 1050 oder vielleicht ein Bauernmehl? Worin liegen die Unterschiede, was ist «halb» am Halbweissmehl und eignet sich jedes Mehl für jede Art von Rezept? Eine Einordnung – für mehr Klarheit vor dem Mehlregal.
Egal, ob süss oder herzhaft – kaum ein anderes Lebensmittel beschert uns eine solche Vielfalt an Zubereitungsmöglichkeiten wie das Mehl. Es kommt bei Brot wie Backwaren zum Einsatz, bindet Saucen und Suppen und sorgt auch bei Fleisch, Fisch und Gemüse für eine knusprige Panade. Also ein Mehl für alle Fälle? Wohl eher nicht, wie bereits die grosse Auswahl im Regal vermuten lässt.
Mehlsorten – die Unterschiede
Mehle lassen sich in mehrfacher Hinsicht unterscheiden. Entweder man ordnet sie nach Getreideart bzw. Rohstoff und gruppiert diese dabei auch gleich nach ihrer Backeigenschaft (mit bzw. ohne Gluten). Oder man sortiert die Mehle nach den typischen Mahlgraden von Vollkorn- bis Weissmehl und typisiert sie – wie v.a. in Deutschland üblich – nach dem Mineralstoffgehalt. Aber der Reihe nach:
1. Unterscheidung nach Getreideart
Brot setzt eine bestimmte Backfähigkeit voraus, die vor allem Weizen, Dinkel und Roggen mitbringen, weshalb sie auch als Brotgetreide bezeichnet werden. Hinzu kommen alte Kulturpflanzen wie Emmer, Einkorn oder Kamut, die als Nischenprodukte immer mehr Liebhaber finden, aber nur selten angebaut werden. Der heute angebotene Dinkel ist entweder eine mit Weizen gekreuzte Form oder der sogenannte Urdinkel. Letzteres sind ursprüngliche Dinkelsorten, die nicht mit Weizen gekreuzt wurden. Alle Brotgetreide enthalten Gluten, also das Klebereiweiss, das für Volumen und Elastizität im Teig sorgt. Kurz: Er verbindet die einzelnen Zutaten miteinander und sorgt für die notwendige Stabilität.
Andere Körner wie Buchweizen oder Quinoa sind allein nicht backfähig und gelten daher als sogenannte Pseudogetreide. Sie werden meist nur als Beimischung für Spezialbrote (also für Mischungen mit Getreidemehlen) verwendet, genauso wie Nüsse bzw. Nussmehl. Wer aufgrund von Zöliakie auf Gluten verzichten muss, kann auf glutenfreie Alternativen ausweichen. Aber dazu später.
Mehlsorten
Brotgetreide | Weizen, Dinkel, Roggen |
Urgetreide | Einkorn, Emmer, Kamut |
Pseudogetreide | Quinoa, Buchweizen, Amaranth |
Nussmehl | Mandelmehl, Baumnussmehl und Mehl aus anderen Nüssen |
Glutenfreies Mehl | Maismehl, Reismehl, Buchweizenmehl, Amaranthmehl, Hirsemehl, Chia-Mehl, Hafermehl (wenn ausgewiesen), u.v.m. |
2. Einteilung nach Mahlgrad
Ob Weizen, Roggen oder Dinkel: Jede Getreidesorte kann zu Weissmehl, Halbweissmehl, Ruchmehl oder Vollkornmehl gemahlen werden. Die Unterscheidung liegt im Ausmahlungsgrad vom Getreidekorn. Vereinfacht gesagt, können wir uns das so vorstellen: Im Inneren des Korns befindet sich der Mehlkörper, an seiner Basis sitzt der Keimling und alles wird umschlossen von verschiedenen Schalen. Mit Ausmahlungsgrad ist nun gemeint, welcher Teil vom Korn und wie viel davon letztendlich im Mehl landet.
Vollkornmehl Ausmahlungsgrad: 0-98 % | enthält ca. 98 Prozent des gesamten Getreidekorns, ist dadurch eher dunkel, voll im Aroma und beinhaltet den grössten Anteil an wertvollen Vitamin- und Mineralstoffen sowie einen hohen Anteil an Nahrungsfasern. |
Ruchmehl Ausmahlungsgrad: 30-85 % | ist die nächste Stufe und etwas milder im Geschmack. Sein Name deutet an, dass noch immer grössere Anteile der Randschalen mit im Sack sind, d.h. Eiweiss, Mineralstoffe und Vitamine aus der äusseren Randschicht des Korns. |
Halbweissmehl Ausmahlungsgrad: 30-75 % | steht auf halbem Weg zwischen Ruch- und Weissmehl, ist als auch von der Farbe her «halb weiss». Es enthält etwas mehr Schalenteile und Mineralstoffe als Weissmehl und bringt dadurch ein leicht ausgeprägteres Weizenaroma mit. |
Weissmehl Ausmahlungsgrad: 0-30 oder 0-65 % | besteht nur noch aus dem hellen Mehlkörper des Weizenkorns, seinen gemahlenen weissen Stärkekörnern und den als Gluten bezeichneten Eiweissen. Die Randschichten und der Keimling sind bei verschiedenen Durchgängen durch die Walzen der Mühle weggesiebt, weggeblasen und entfernt worden. |
3. Typisierung nach Mineralstoffgehalt
Die Typisierung nach dem Mineralstoffgehalt ist vor allem in Deutschland üblich, doch auch hierzulande tragen immer mehr Produkte eine solche Typenbezeichnung. Als Faustregel gilt: Je höher die Typenzahl, desto mehr wertvolle Mineral- und Ballaststoffe aus den Getreideschalen sind enthalten.
Weizen |
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Dinkel |
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Roggen |
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Und nun: Welches Mehl wofür?
Tatsächlich hilft die Unterscheidung der Mehlsorten nach Getreideart, Ausmahlungsgrad und Mineralstoffgehalt vor dem Regal im Handel nur wenig. Zum Glück geben uns Koch- und Backrezepte bereits alle nötigen Zutaten vor. Was aber, wenn man gerne improvisiert, spontan einkauft oder sich einfach vom eigenen Vorratsschrank inspirieren lässt? Dann hilft – als Empfehlung – vielleicht diese Übersicht, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Das Mehl für Vollkornbrot beinhaltet das gesamte gemahlene Korn. Je höher der Anteil des ganzen Korns, desto grösser der Anteil an wertvollen Inhaltsstoffen. Entsprechend enthalten Vollkornbackwaren im Vergleich zu Ruch-, Halbweiss- und Weissmehl am meisten Vitamine, Mineralstoffe und Nahrungsfasern.
Geeignete Mehlsorten:
- Weizen Vollkornmehl (Typ 1900)
- Dinkel Vollkornmehl (Typ 1900)
- Roggen Vollkornmehl (Typ 1900)
Ruchbrot wird mit einem Mehl mit mittleren Ausmahlungsgrads hergestellt; es enthält noch einen Teil der äusseren Schalenschichten des Korns.
Geeignete Mehlsorten:
- Weizen Ruchmehl (Type 1050)
- Dinkelmehl dunkel (Type 1050)
- Roggenmehl dunkel (Type 1050)
Helle Brote bestehen hauptsächlich aus dem innersten Teil des Weizenkorns, dem Mehlkörper. Das heisst, es enthält weniger bis keine Anteile der Kornschale und ist dadurch heller.
Geeignete Mehlsorten:
- Weizen Weissmehl (Typ 400 oder 550)
- Weizen Halbweissmehl (Typ 720)
- Dinkelmehl hell (Typ 630)
Für Zopf wird ein Mischmehl verwendet, das zu 90 % aus Weizen- und zu 10 % aus Dinkelmehl besteht. Dinkel enthält einen höheren Anteil an elastischem Klebereiweiss, weshalb sich der Teig leichter formen bzw. flechten lässt.
Geeignete Mehlsorten:
- Zopfmehl
- Weizen Weissmehl (Typ 405)
- Weizen Weissmehl (Typ 550)
- UrDinkelmehl hell (Typ 630)
Das ideale Mehl für einen Pizzaboden besteht aus Weizenweissmehl mit einem Anteil von etwa 5 Prozent Hartweizenmehl.
Geeignete Mehlsorten:
- Pizzamehl
- Weizen Weissmehl (Typ 405)
- UrDinkelmehl hell (Typ 630 – für Dinkelpizza)
Für Pasta wird vorwiegend doppelt gemahlener Griess oder Hartzweizenmehl verwendet.
Geeignete Mehlsorten:
- Mehlmischung aus Weizenmehl (Typ 405 und 550) und Hartweizengriess
Hierfür braucht es eine Mehlmischung aus Weizenweissmehl und Hartweizengriess; letzteres ist das typische Teigwarenmehl.
Geeignete Mehlsorten:
- Mehlmischung aus Weizenmehl (Typ 405 und 550) und Hartweizengriess
Für Kuchen und Feinbackwaren sollte das Mehl eher eine neutrale Zutat darstellen und wenig Eigengeschmack mitbringen. Daher eignen sich neutrale helle Mehle am besten für Kuchen und Feinbackwaren.
Geeignete Mehlsorten:
- Weizen Weissmehl Type 405
- Weizen Weissmehl Type 550
- UrDinkelmehl hell Type 630
Übrigens: Es lohnt sich, die unterschiedlichen Mehlmischungen im Handel einfach mal auszuprobieren. Bauernmehl oder Mehrkornmehl enthält beispielsweise Weizen-, Roggen- und Dinkelmehl. Und auch wer auf glutenfreie Alternativen ausweichen muss, hat im Handel mittlerweile eine grosse Auswahl. Der Knackpunkt hierbei ist: Glutenfreie Mehle haben je nach Sorte andere Backeigenschaften als herkömmliches Mehl. Schliesslich fehlt ihnen der Klebereiweiss, der beim Backen hilft, dass die Zutaten im Gebäck gut zusammenhalten. Es ermöglicht das Aufgehen des Teiges und verleiht ihm Festigkeit und Elastizität. Ohne Gluten gehen diese an Backwaren geschätzten Eigenschaften meist verloren.
Alternative Mehle aus…
Amaranth schmeckt etwas nussig und macht sich in gepuffter Variante wunderbar im Joghurt, im Müsli oder auf dem Salat. Wer mit dem Amaranthmehl backen möchte, muss einen Teil Weizen- oder Roggenmehl zufügen, da es ohne Gluten ist.
Bananenmehl wird aus grüner, getrockneter Kochbanane gemahlen und ist geschmacksneutral. Es ist glutenfrei, daher lohnt sich auch hier eine Mischung mit Getreidemehlen. Süss oder herzhaft, eignet sich dieses Mehl für Speisen wie Pfannkuchen, Griessbrei, Mehlschwitzen oder als Bindemittel für Saucen, Suppen und Smoothie.
Buchweizenmehl schmeckt etwas herb und ein klein wenig nussig. Es ist glutenfrei und häufig werden die Backwaren etwas bröselig. Es empfiehlt sich daher die Mischung mit Weizenmehl. Daraus lassen sich feine Leckereien wie zum Beispiel Pfannkuchen, Waffeln, Kuchen oder Pizzateig herstellen.
Gerstenmehl zeichnet sich durch einen aromatisch-nussigen Geschmack aus und eignet sich ideal für Fladenbrote.
Hafermehl hat einen leicht bitter-nussigen Geschmack. Da es ebenfalls nicht so gut klebt, empfiehlt sich auch hier, das Hafermehl mit anderen Mehlsorten zu mischen, d.h. es eignet sich gut als Beimehl zu Kuchen und Keksen.
Hanfmehl wird aus der gemahlenen und entölten Hanfsaat hergestellt, ist grünlich und schmeckt nussig. Es eignet sich eher in kleinen Mengen zur Ergänzung, zum Beispiel löffelweise pur oder zum Verfeinern von Müsli, Salaten, Dips und pikanten warmen Speisen. Hanfmehl ist glutenfrei, daher empfiehlt es sich beim Backen höchstens als Beigabe zum Getreidemehl.
Hirsenmehl schmeckt mild und leicht nussig. Da Hirse glutenfrei ist, können Brote aus reiner Hirse nicht aufgehen. In Backmischungen aber macht Hirse Brote knuspriger.
Kichererbsenmehl schmeckt leicht nussig und etwas intensiver als andere Mehle. Es eignet sich daher mehr für herzhafte Gerichte wie Pizzateig oder Wraps.
Kokosmehl hat einen deutlichen Eigengeschmack, eignet sich aber gut zum Backen, sofern der Kokosgeschmack zum Gebäck passt. Da es leicht süsslich schmeckt, reicht oft eine geringere Menge an anderen Süssungsmitteln im Rezept aus. Es ist enorm saugfähig, daher braucht es im Vergleich mit Weizenmehl mehr Flüssigkeit.
Der typische Maisgeschmack steckt meist auch im Mehl. Da es nicht so schön aufgeht, wird es schnell trocken und krümelig. Um es backfähig zu machen, wird es daher oft mit anderen Mehlsorten gemischt. Maismehl ist besonders in der mexikanischen Küche für Tortillas und Nachos beliebt – oder für Maisbrot.
Mandelmehl – übrigens nicht mit gemahlenen Mandeln verwechseln – bringt Geschmack, Textur und viele wertvolle Proteine mit, ist aber auch ohne Gluten. Es schmeckt leicht nach Marzipan und passt daher besonders gut zu süssen Backwaren wie Brownies oder auch Muffins.
Das Stärkepulver aus der Maniokwurzel ist glutenfrei, geschmacksneutral und so v.a. als Binde- und Verdickungsmittel für klare Suppen, Joghurt und Saucen geeignet.
Das glutenfreie Reismehl kommt oft als Bindemittel resp. als Ersatz von Speisestärke zum Einsatz. Insbesondere bei Saucen und Dips. Es hat eine hellbraune Farbe, einen leicht nussigen Geschmack.
Auch Sojamehl ist ohne Gluten und daher allein nicht zum Backen geeignet. Für Brote können bis zu 30 Prozent des Mehls durch Sojamehl ersetzt und so verfeinert werden. Rund 75 Gramm Sojamehl ersetzen dabei 100 Gramm Weizenmehl. Weil es sehr gut bindet, ist es ideal für Saucen oder als Ei-Ersatz in der veganen Küche.