Im Gespräch

«Es gibt eine Vielzahl von Einflussfaktoren auf unsere Landesversorgung.»

Im Gespräch mit Pierre-Yves Perrin

Kaum ein Lebensmittel stand die letzten Wochen und Monate stärker im medialen Fokus als Getreide. Pierre-Yves Perrin, Geschäftsführer des Schweizerischen Getreideproduzentenverbands SGPV über den Getreideanbau in der Schweiz, die Wertschöpfungskette, die Qualität und die Bedeutung von «Schweizer Brot» in der hiesigen Landesversorgung.

Marlies Keck

Herr Perrin, laut Medienberichten ging uns im Juni fast das Getreide aus. Was steckt dahinter?

Die Ernte 2021 war mengen- und qualitätsmässig deutlich schlechter als die vorangehenden Ernten. Aus diesem Grund kam es bei einigen Qualitäten zu einem Engpass Ende Juni, da die neue Ernte noch nicht begonnen hat. Insgesamt hatte es aber immer genügend Getreide in der Schweiz, um die Bevölkerung zu versorgen. Auch dank den Lagermengen aus vergangenen Jahren und den Ergänzungsimporten.

Dann waren Sie froh, als die Getreideernte endlich losging?

Vor dem Start der Ernte ist immer eine gewisse Spannung vorhanden und dann ist man froh, wenn die Ernte endlich startet. Beim Wintergetreide hat man sich während rund 9 Monaten um die Felder gekümmert, alles für einen guten Ertrag unternommen und dann freut man sich natürlich, wenn man die Früchte seiner Arbeit ernten kann. Die Wahl des richtigen Erntezeitpunkts und die Entwicklung des Wetters können hier nochmals einen grossen Einfluss auf die Erntequalität haben. Die Ernte startet jeweils mit der Gerste, welche für die Tierfütterung verwendet wird und erst danach folgt der Brotweizen.

Die Ernte – Höhepunkt des Getreidejahres. © Schweizer Brot

Bis die Ernte in meinem Brot landet, durchläuft es eine ganze Wertschöpfungskette. Wer gehört denn da genau alles dazu?

Die Wertschöpfungskette startet schon bei der Forschung, der Getreidezüchtung und der Saatgutvermehrung. Danach folgt die Landwirtschaft, die Getreidesammelstelle, die Mühlen und am Schluss die Bäckerei. Damit dies Hand in Hand funktioniert, braucht es die Arbeit und das Know-how vieler engagierter Berufsleute.

Was bedeutet denn die Getreideernte für Sie bzw. für Ihre Arbeit beim SGPV?

Da ich selbst auch Getreide anbaue, ist die Getreideernte sozusagen der Höhepunkt des Getreidejahres. Hier zeigt sich, ob sich die ganze vorgegangene Arbeit ausbezahlt und welche Entscheidungen (Sortenwahl, Anbautechnik, Erntezeitpunkt etc.) die Richtigen waren.
Von Seiten SGPV warten wir gespannt auf die ersten Ernteresultate und dann die definitive Mengenmeldungen. Somit sehen wir, inwieweit das Angebot (Ernte) mit der Nachfrage (Verarbeitern) zusammenpasst. Durch die optimale Abstimmung dieser zwei Werte, soll ein angemessenes Einkommen für die Landwirte erzielt werden können.

Was wird in der Schweiz wo in welcher Menge angebaut – und warum?

In der Schweiz wird Brotweizen, Dinkel und Roggen als Brotgetreide (Total rund 420’000 t auf 80’000 ha) im gesamten Mitteland angebaut. Roggen wird traditionell im Wallis angebaut, da er besonders resistent gegenüber Trockenheit und kalten Wintern ist. Zudem kann er als einziges Getreide auch in grossen Höhen (früher bis auf 2’200 m.ü.M.) angebaut werden. Beim Futtergetreide wird hauptsächlich Gerste, Futterweizen und Triticale (Total rund 480’000 t auf 145’000 ha) angebaut. Kulturen wie Hafer, Einkorn, Emmer und Kamut sind im Gegensatz Nischenkulturen, die nur in kleinen Mengen angebaut werden.

Kein Grund zur Panik: Der Selbstversorgungsgrad beim Brotgetreide liegt in der Schweiz bei rund 80 Prozent. Hier bei der Getreideernte Plegihof Cham/ZG Hübscher © Barbara Gosteli

Können Sie bereits etwas zur Qualität (und Menge) der diesjährigen Getreideernte sagen?

Dafür ist es noch etwas zu früh. Es kann zwar gesagt werden, dass die Felder optisch grösstenteils einen guten bis sehr guten Eindruck machen, aber wie die Ernte schlussendlich tatsächlich aussehen wird, steht noch in den Sternen. Je nach Region und den verschiedenen klimatischen Bedingungen (wie Trockenheit oder Hagel), kann es auch zu grossen Schwankungen innerhalb einer Kultur kommen. Bis anhin wurde auch erst bei der Gerste ein grosser Teil der Felder gedroschen, aber die Ernte der anderen Kulturen steht erst noch bevor. Grundsätzlich sind wir aber optimistisch und gehen von einer mittleren bis guten Ernte aus.

Lässt sich unser Getreidebedarf künftig voll abdecken oder sind wir weiterhin auf Importe angewiesen?

Der Getreidebedarf lässt sich grundsätzlich für das Brotgetreide voll abdecken, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen gegeben sind. Hier spielt natürlich die Wirtschaftlichkeit des Anbaus eine entscheidende Rolle für die Landwirte und auch die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen müssen gegeben sein. Insbesondere beim Futtergetreide fehlt der finanzielle Anreiz für den Anbau und die Produktion deckt auch nur etwas 50% des tatsächlichen Bedarfs.

Wie stark sind wir diesbezüglich durch den Ukraine-Krieg beeinflusst?

Die Schweiz importiert fast kein Getreide aus der Ukraine, allerdings stiegen die internationalen Preise stark an, was auch bei uns zu einer Stabilisierung der Preise führt. Aufgrund der hohen Kaufkraft der Schweizer, werden wir aber weiterhin genügend Getreide erhalten.

Gibt es andere Einflussfaktoren auf unsere Landesversorgung? Klimawandel? Biodiversität? Preisentwicklung für Diesel und Dünger?

Es gibt eine Vielzahl von Einflussfaktoren auf unsere Landesversorgung. Durch den Klimawandel nehmen extreme Wetterereignisse wie Trockenheit oder Starkregen zu. Diese können ganze Getreidefelder verwüsten und die Erntemengen massiv reduzieren. Die stark steigenden Preise für Diesel und Dünger zwingen die Landwirte zu einer genauen Überprüfung und Berechnung ihrer Produktion, damit sie am Ende überhaupt noch etwas verdienen. Auch die Politik spielt eine entscheidende Rolle, da sie die Rahmenbedingungen für den Anbau in der Schweiz festlegt. So ist beispielsweise ein ausreichender Grenzschutz entscheidend für eine kostendeckende Produktion in der Schweiz. Aber auch die Anbaubedingungen für die Ackerkulturen werden anspruchsvoller durch politische Entscheidungen. Mit der Nährstoffreduktion und der Extensivierung wird die Produktionsmenge zurückgehen und die Qualitätsparameter, die für die Verarbeitung zentral sind, werden zunehmend schwieriger zu erreichen sein.

Brot aus heimischen Zutaten – Genuss pur. © Schweizer Brot

Worauf muss ich als Konsumentin denn achten, wenn ich Brot aus Schweizer Getreide kaufen möchte?

Am Verkaufspunkt muss der Herstellungsort des Brotes klar deklariert werden. Im Zweifelsfall lohnt es sich, auch nachzufragen. Damit neben dem Herstellungsland Schweiz auch das Getreide aus der Schweiz stammt, kann auf die Marke «Schweizer Brot» geachtet werden.

Was kaufe ich denn, wenn ich «Schweizer Brot» kaufe?

Du weisst, dass du ein qualitativ hochwertiges, nährstoffreiches und nachhaltig produziertes Schweizer Produkt kaufst. Damit zeigst du dein Bekenntnis zur Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft, also zu Schweizer Produktions- und Verarbeitungsunternehmen und somit zu Schweizer Getreide, Mehl und Brot. Du setzt damit ein wertvolles Zeichen für die Tradition und den Erhalt unseres feinen Schweizer Kulturguts.
Zudem: Mit dem Kauf von Schweizer Brot unterstützt du als Konsumentin gleichzeitig die regionale Wertschöpfung, Arbeitsplätze, faire Arbeitsbedingungen und Löhne. Ein gutes Gefühl, nicht?

Die Marke Schweizer Brot bringt Transparenz in die Produktion, die Verarbeitung und den Verkauf von Schweizer Brot, Kleinbrot und Sandwichbroten. Hier im Einsatz als Vitrinenkleber und Brotbanderole. © Schweizer Brot

Getreide in der Schweiz

Getreide ist die wichtigste Ackerkultur in der Schweiz. Es nimmt eine Fläche von ungefähr 140‘000 Hektaren ein. Das entspricht etwa der Fläche des Kantons Luzern. Die Landwirtschaft unterscheidet im Getreideanbau zwischen Brotgetreide für die menschliche Ernährung und Futtergetreide für die Tiere. Der Bedarf an Brotgetreide in der Schweiz beträgt um die 480’000 Tonnen im Jahr. Im Durchschnitt deckt die inländische Produktion den Bedarf zu über achtzig Prozent.

Externes Bild
Schweizerische Getreideproduzentenverband SGPV

Der Schweizerische Getreideproduzentenverband (SGPV) ist die nationale Organisation der Getreide-, Ölsaaten- und Eiweissproduzenten. Der Verband vertritt die Interessen der Produzenten, unterstützt dabei den einheimischen Ackerbau und eine auf die Marktnachfrage ausgerichtete Produktion. Weiter fördert er die Qualität und den Absatz für Ackerfrüchte.

sgpv.ch