Das Weizenjahr – Teil 7
Der Kreislauf der Getreideproduktion dreht sich weiter: Während bereits der nächste Winterweizen auf den Feldern wächst, bringt Sabrina Denzler-Grunder ihr Mehlsortiment in den Verkauf. Rund 30 Sorten stellt sie in der Mühle Entenschiess (TG) her. Eine Vielfalt, die über die Jahre immer grösser wurde. Der letzte Teil unserer Beitragsserie widmet sich dem Mehlverkauf und dem Backen.
Unsere Beitragsserie zum Weizenjahr:
Teil 1 — Zu Besuch bei Familie Grunder
Teil 2 — Aussaat von Winterweizen
Teil 3 — Kälteschock
Teil 4 — Hege & Pflege
Teil 5 — Die Ernte
Teil 6 — Vermahlen
Teil 7 – Mehlverkauf
Im Laden der Mühle Entenschiess duftet es nach frisch gemahlenem Mehl. Auf den Regalen reiht sich Mehlsorte an Mehlsorte – ein wahres Paradies für Backbegeisterte. Sabrina Denzler-Grunder, die mit viel Leidenschaft den Familienbetrieb weiterführt, empfängt mich mit einem freundlichen Lächeln. Heute gibt sie mir einen Einblick in das Mehlsortiment und den Verkaufsalltag – und damit einen krönenden Abschluss für unsere Serie zum Weizenjahr.
Vielfalt im Mehlsortiment
«Wir bieten aktuell etwa 30 verschiedene Mehlsorten an», sagt Sabrina. «Grundsätzlich basiert unser Angebot auf den drei Hauptgetreidesorten: Weizen, Dinkel und Roggen. Davon stellen wir klassisch ein helles, ein dunkles und ein Halbweissmehl her. Dazu jeweils ein Vollkorn-, ein Gaham- und ein Schrotmehl. Ergänzt wird dies mit Spezialmehlen wie Zopfmehl, Pastamehl oder die Winzermischung.» Das breite Sortiment hat sich über die Jahre entwickelt – mal auf Kundenwunsch, mal aus eigener Initiative. «Für das Herbstfest der Landfrauen haben wir zum Beispiel ein spezielles Herbstfestmehl kreiert», erinnert sich Sabrina. «Die Nachfrage war dann aber so hoch, dass wir es schliesslich dauerhaft ins Sortiment aufgenommen haben.»
Saftiges Kartoffelbrot
Die Vielfalt des Sortiments ist nicht für alle in der Familie gleich wichtig. Sabrinas Vater, Bruno Grunder, würde oft weniger Sorten bevorzugen. Denn der Aufwand, eine neue Mehlmischung zu kreieren, zu testen und zu vermarkten, ist aufwendig. «Meinem Vater reicht das, was wir haben. Er denkt immer: Wenn es ihm schmeckt, schmeckt es allen!», lacht Sabrina. Trotzdem kommt auch er manchmal mit Vorschlägen. «Das Kartoffelmehl war beispielsweise seine Idee. Es war gar nicht so einfach, die perfekte Mischung zu finden. Wir haben zig Versuche gemacht – sicher an die 20», erzählt Sabrina. «Natürlich haben wir dann immer Kartoffelbrot gebacken und probiert, bis wir vom Resultat überzeugt waren.» Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Das Kartoffelmehl gibt dem Brot eine besonders saftige Krume und einen angenehm milden Geschmack. Das Geheimnis? «Die im Mehl enthaltenen Kartoffelflocken binden zusätzlich Flüssigkeit, was das Brot länger frisch hält», sagt sie. Und was sagt die Kundschaft? «Unsere Kunden lieben Abwechslung. Sie freuen sich immer, wenn es etwas Neues gibt», sagt sie stolz.
Saisonspezialitäten und edles Gebäck
Das Tüfteln und Kreieren einer neuen Sorte macht zwar Spass. Doch eine neue Sorte geht immer auch auf die Kosten einer anderen. «Wir haben nicht unendlich Platz», sagt sie. Auch Volg, Landi und die Hofläden setzen für ihre Regale auf die bewährten Mehlsorten. Die Lösung? Saisonale Mehlspezialitäten. Auf das Guetzli-Mehl ist sie besonders stolz, da es ihre Idee und Kreation war. «Das Guetzli-Mehl wird als saisonales Produkt sehr gerne ins Sortiment aufgenommen, da es eine zusätzliche Verkaufsfläche für zwei bis drei Monate rechtfertigt», sagt sie. «Dadurch schaffen wir es, innovative Ideen umzusetzen und in den Verkauf zu bringen, ohne dass der Platz das ganze Jahr über blockiert wird.» Tatsächlich ist das Guetzli-Mehl aber auch Sabrinas Favorit beim Backen. «Ich nutze es sogar für meinen Zopf» gesteht sie. «Es enthält mehr Dinkelmehl und ist heller als unser Zopfmehl – ist also etwas edler. Ich bin daher nicht unglücklich, wenn es nach den Festtagen noch Guetzli-Mehl für mich übrig hat», sagt sie verschmitzt. Da passt es gut, dass ihr Lieblings-Guetzli nicht nur zu Weihnachten passt. «Die Schokoladen-Rollbretzeli passen Sommer wie Winter. Ob als Garnitur zum Glacé oder einfach so zum Kafi», schwärmt sie. Und was backt Maja am liebsten? «Aktuell die Linzertorte», so Sabrina. «Die lässt sich auch super gut einfrieren. So hat man immer schnell und einfach ein feines Dessert parat.»
Die Lieblinge von Sabrina und Maja: Rollbretzeli und Linzertorte. © Mühle Entenschiess
Kundenberatung und Mehllagerung
Im Mühleladen berät Sabrina ihre Kunden meist persönlich – da ist sie oft mit ihrem gesamten Mehl- und Backwissen gefordert. «Die Anliegen sind sehr vielseitig. Manche fragen gezielt nach einem Rezept oder nach Tipps, wie sie über Nacht garen. Oder sie sagen, was sie backen wollen und suchen nach dem passenden Mehl», erzählt sie. Da helfe es, das Sortiment genau zu kennen, denn: «Wer sich ein Brot wünscht, das schön aufgeht und luftig-leicht ist, dem empfehle ich ganz sicher nicht unser 5-Korn-Mehl, das Weizen, Dinkel, Roggen, Mais und Hafer enthält. Daraus ergibt sich zwangsläufig ein gehaltvolles, schweres Brot», erklärt sie. «Manchmal bringen Kunden auch Fotos von ihren Backfehlern mit und fragen, was sie falsch gemacht haben. Ich versuche dann herauszufinden, wo das Problem lag und was man anders bzw. besser machen könnte.» Tatsache ist: Mehl ist ein Naturprodukt und reagiert auf das Klima. «Haben wir zum Beispiel eine hohe Luftfeuchtigkeit, nimmt das Mehl diese auf. Das bedeutet, dass man beim Backen weniger Wasser zugeben muss – sonst wird der Teig zu flüssig», weiss sie. Ihr Tipp für die Lagerung: «Mehl sollte man generell kühl, trocken und eher dunkel lagern – das ist im Sommer bei schwül-warmen Temperaturen nicht so einfach. Im schlimmsten Fall kann man das Mehl auch in einem Kühlschrank lagern.»
Regionalität und Nähe zum Rohstoff
Etwa 15 Prozent des Weizens, die Sabrina in der Mühle Entenschiess zu Mehl verarbeitet, stammt aus eigener Ernte. Den übrigen Anteil beziehen sie von umliegenden Sammelstellen und – v.a. Spezial- und Biogetreide – direkt von den Landwirten. Auch sonst liegt der Familie die Regionalität am Herzen: «Der Buchweizen kommt von der Familie Billing aus Wildenbuch, der Hartweizen von der Famile Ott aus Trüllikon, das Linthmaismehl von der Familie Bruhin aus Tuggen», so Sabrina. Der enge Kontakt zu den Landwirten ist ihr wichtig. «Meine Verbindung zum Produkt – und Rohprodukt – ist sicher grösser, als wenn ich die Feldarbeit nicht so nah miterleben würde. Würde ich einfach nur das Korn in der Mühle oder in der Sammelstelle empfangen, könnte ich die Sorgen und Nöte der Bauern nicht so gut nachempfinden.» Das zeigte sich gerade in diesem Sommer wieder eindrücklich, da die Weizenernte eher mager ausfiel. «Sieht die Ernte schlecht aus, bin ich schon auch frustriert – schliesslich muss ich in der Mühle rund ein Jahr lang diesen Rohstoff verarbeiten.» Andererseits sei man dann aber auch wieder gemeinsam froh und erleichtert – denn: «Die Qualität des Brotweizens stimmt.» Letztlich sei sie sehr gerne Teil der Wertschöpfungskette. «Durch diese Nähe steigt die Wertschätzung für das Produkt.» Eine Haltung, die sie gerne und sehr glaubwürdig ihren Kunden im Verkaufsladen weitergeben kann.
© Mühle Entenschiess
Blick in die Zukunft
Sabrina sieht der Zukunft optimistisch entgegen. «Ich wünsche mir, dass wir als Familienbetrieb gesund weiterwachsen können – nicht zu schnell, sondern so, dass wir die Werte unserer Familie beibehalten können», sagt sie. Besonders stolz sei sie darauf, den Betrieb als fünfte Generation weiterzuführen. «Ich erhalte viel Zuspruch und positive Rückmeldungen», sagt sie. Sicher ist sie für viele auch eine Art Vorbild: Eine junge Frau, die einen Mühlenbetrieb in die Zukunft führt. «Das macht mich schon stolz – und ich glaube, meine Eltern auch.»