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Kultiviert: Brot in Basel

Lea Gessler: «Unser Name ist Programm»

Unter dem Namen «Kult» hat die Crew der Internationalen Gastronautischen Gesellschaft die fast 300-jährige Basler Traditionsbäckerei am Riehentor übernommen und dieser mit einem frischen Konzept neues Leben eingehaucht. Ein wahres Bijou einer Bäckerei.

Marlies Keck

Kult: eine Backstube, eng und lang, eine tief hängende Holzdecke und – das Herzstück – ein Ofen aus dem letzten Jahrhundert. Hier herrscht emsiges Treiben, wird gewerkelt, gebacken. «Die Bäckerei ist eigentlich zu uns gekommen, wir haben sie nicht gesucht», umschreibt Lea Gessler die Entstehungsgeschichte der Bäckerei Kult an der Riehentorstrasse 18 in Basel. Gemeinsam mit Leon Heinz und Felicia Schäfer, die in Basel als Internationale Gastronautische Gesellschaft von sich Reden machten, übernahm sie Ende 2015 die altehrwürdige Traditionsbäckerei, die es nachweislich seit 1726 gibt. «Es war eine Art Rettungsaktion. Denn ursprünglich sollten wir der Bäckerei nur beratend zur Seite stehen. Aber als wir endlich Zeit dazu fanden, war der Betrieb bereits geschlossen.» Lea, die damals noch eine Anstellung in Paris hatte, kehrte trotzdem nach Basel zurück und stieg bei den Gastronauten ein. Gemeinsam entschlossen sie sich für die neue Herausforderung und übernahmen die Pacht der ältesten Bäckerei der Stadt gleich selbst.

Bäckerei Kult Geschichte
Ein Blick in die Vergangenheit Die Bäckerei an der Riehentorstrasse gibt es seit dem Jahr 1726. Rechts der Bäcker 1920, links eine Aufnahme von 1911.

Eigene Wege als Quereinsteiger

Von Beginn weg war ihnen klar, dass sie ihren eigenen Weg gehen würden. Schliesslich brachten die Inhaber relativ wenig Backkenntnisse mit. Lea, die Produktionsleiterin, studierte Theater- und Literatur in Basel, Berlin und Paris. Erst nach Jahren der Gastronomie als Nebenjob, entschied sie sich 2014 endgültig dafür, lernte unter anderem in der Buvette Gastrotèque in Paris die Küche von innen kennen und verfeinerte in Belgien ihre Backkenntnisse. Leon und Felicia, welche sich heute anderen Projekten zuwendet, sind Absolventen des Hyperwerks der Basler Hochschule für Gestaltung und Design. Allen gemeinsam ist ihr gestalterisches Flair, die Freude am Genuss und am Experimentieren mit Geschmack. So sei der Name auch Programm. «Wir wollen nicht nur die Bäckerei und das Quartier beleben. Wir wollen auch unsere Produkte weiterentwickeln und das Bäckereihandwerk kultivieren, sagt Lea. «Im Namen «Kult» kommen der Charakter des Ortes und gleichzeitig unsere unkonventionelle Arbeitsweise zusammen.»

Team Bäckerei Kult
Die Inhaber der Bäckerei Kult – das Team der Internationalen Gastronautischen Gesellschaft – Leon Heinz und Lea Gessler.

Finanzierungsmodell Crowdfunding

Unkonventionell ist vielleicht auch die Art ihrer Mittelbeschaffung. Das Geld für den Start und die Anfangsinvestitionen haben die jungen Leute nicht etwa von der Bank, sondern von der Masse, also via Crowdfunding-Plattform. Leon: «Für uns war klar: Finden wir Menschen, die bereit sind, die älteste Bäckerei der Stadt am Leben zu erhalten, dann macht unser Projekt auch Sinn.» Innert weniger Tage kamen fast 40’000 Franken von rund 300 Leuten zusammen. «Wir sind also sehr breit unterstützt worden» sagt Lea stolz. Seit rund einem Jahr verfolgen sie nun ihr Ziel, aus der Bäckerei einen Treffpunkt zu machen – sowohl für kulinarisch Interessierte als auch für all jene Menschen, die wieder Lust auf handwerklich gefertigtes und gutes Brot haben.

Bäckerei als Treffpunkt
Klein aber fein: Die Bäckerei Kult lädt zum Verweilen ein. Bald auch am St. Johann.

Kompromisslose Qualität

Handwerk – so steht es auf einer Art Kundmachung in der Vitrine im Eingang – heisst für Lea und Leon unter anderem auch, kompromisslos mit hochwertigen Rohstoffen zu arbeiten, wie zum Beispiel mit unstandardisiertem Mehl aus der kleinen Mühle Graf in Maisprach. Hier liegt ihre Priorität, weil ihnen Qualität wichtiger ist, als günstige Rohstoffe. Leon: «Es ist uns bewusst, dass wir keine günstige Bäckerei sind. Doch wir produzieren Gebäcke so, wie sie sein sollten. Und das kostet, was es kostet und ist richtig so!» Ein Prinzip, das auch lokale Gastronomen überzeugt. «Stimmt, wir liefern auch an Cafés und kleinere Läden», sagt Lea. «Und seit März beliefern wir auch den Globus mit einer kleinen Auswahl unserer Backwaren.»

hochwertige Rohstoffe
Qualität ist der Kult-Crew wichtiger, als günstige Rohstoffe: In den Backwaren steckt ausschliesslich unstandardisiertes Mehl aus der kleinen Mühle Graf in Maisprach.

Vom Dinkeltaler bis Wasserbrot

Die Qualität spricht sich herum und bringt Erfolg. «Es läuft viel besser als gedacht. Anfangs waren wir vier Personen und hauptsächlich mit Weihnachtsguezli beschäftigt. Heute sind wir total 18 Leute, die rund um die Backstube und im Verkauf tätig sind», sagt Lea glücklich. Und mit Quentin Biéchy, ihrem Bäcker und Croissant-Baguette-Spezialist aus dem Elsass, haben sie das Sortiment laufend erweitert und verfeinert. So entstand unter anderem auch das rosa Randen-Baguette. Nebst diversen frisch gebackenen Brotsorten und salzigen oder süssen Quiches, verlocken heute also zig leckere Kuchen und Teigkreationen. «Wir bieten bereits eine sehr schöne Vielfalt, sind aber immer noch erst am Anfang. Mit dem «Suure Buur» haben wir beispielsweise erst ein Sauerteigbrot im Sortiment. Wir wollen noch mehr in dieser Richtung ausprobieren, vermehrt mit langer Triebführung und ursprünglichen Rezepturen arbeiten. Wer weiss – vielleicht bringen wir neben unserem Dinkeltaler, Wasserbrot und Rhybollen auch mal ein Orginal Schlumbi oder Baslerbrot. Aber das alles braucht Zeit und Platz.»

Rosa Randen-Baguette
Täglich zwei Sorten Sandwiches – selbstgemacht.

Zukunfts- und Expansionspläne

Die grosse Auswahl an Backwaren und Leckereien fordert tatsächlich seinen Raum. Und das nicht nur für die optimale Präsentation im Verkauf, sondern auch bei der Produktion in der Backstube. «Wir platzen fast aus allen Nähten und brauchen für unser Arbeit nicht nur eine Backstube, sondern auch eine richtige Küche. Wir haben zum Beispiel täglich zwei Sorten Sandwiches im Angebot – selbstgemacht. Das heisst, wir produzieren nicht nur das Brot, sondern auch alle anderen Zutaten selbst; von Mayonnaise über Rotkohl- oder Selleriesalat, Hummus oder Baba Ghanoush bis hin zu den Antipasti.» Dem Kantonsblatt ist zu entnehmen, dass sie für die gut frequentierte Elsässerstrasse 43 beim St. Johann ein Baugesuch für einen «Bäckerei- und Restaurantbetrieb mit Aussenbewirtung im Hof» eingereicht haben. Es soll ein «Ort zum Verweilen» entstehen. Es sei aber nicht so, dass sie nun ein Filialnetz aufziehen wollten, im Gegenteil. «Das Ziel ist vielmehr, dass die Backstube am Riehentor bei ihrer Bestimmung für Brot und Viennoiserie bleiben kann und der restliche Teil der Produktion ins St. Johann ausgelagert wird». Klar wird es eine gut funktionierende Spedition brauchen, denn das jeweilige Angebot soll an beiden Orten präsent sein. Soweit ist es aber noch nicht; der Eröffnungstermin steht noch offen.

Angebot
Das vielfältige Brotangebot soll noch weiter verfeinert werden. Neben Dinkeltaler, Wasserbrot und Rhybollen vielleicht auch bald ein Schlumbi oder Original Baslerbrot.

Orte zum Verweilen

Ein Ort zum Verweilen ist auch der jetzige Standort – wenn auch im Kleinen. Sehr geschmackvoll gestaltet und mit viel Sinn für Ästhetik präsentiert sich nur schon das Ladenlokal. Auf den paar Sitzplätzen innen- und aussen ist es so gemütlich, dass man am liebsten sitzen bleibt und über Stunden das kreative Tun beobachtet. Kreativ zu bleiben ist ja auch ihr Credo. Sie möchten nie aufhören, zu überraschen. «Am Nachmittag, wenn der Betrieb in der Backstube ein wenig ruhiger ist, bieten wir Workshops, Backkurse und Raum für Austausch an» so Lea. Hier könne man lernen, wie man beispielsweise einen Sauerteig ansetzt. «Aber wir sind offen für vielerlei Themen» sagt Leon. Tatsächlich beschreiben sie es in ihrem Workshop-Programm als «Platz für backbegeisterte Teigforscher und Ofen-affine Kulinariker». Eben: kultig – der Name ist tatsächlich Programm.

Bäckerei Kult
Riehentorstrasse 18, 4058 Basel, 061 692 11 80
Dienstag-Freitag, 6.30 bis 18.30 Uhr, Samstag, 8.00 bis 16.00 Uhr, Sonntag, 8.00 bis 14.00 Uhr
baeckereikult.ch

Internationale Gastronautische Gesellschaft
Als «Internationale Gastronautische Gesellschaft» verwirklichen Lea Gessler und Leon Heinz ungewöhnliche Veranstaltungen, Kunstwerke, Performances rund um essen und Essen. Was sie gastronautisch interessiert, zerlegen sie in seine einzelnen Elemente, um sie zu studieren. Für die Bäckerei Kult, die sie als Treffpunkt für backbegeisterte Teigforscher und ofen-affine Kulinariker betreiben, untersuchen sie beispielsweise unterschiedliche Mehlqualitäten. Aber auch Quartier, Menschen und Stadt. Denn wer Brot sagt, muss auch Esstisch sagen. Und so eröffnen sie bald ihren zweiten Standort, um genau diese Esskultur zu leben und weiterzugeben.
gastronautischegesellschaft.org